«Schnöggu» Lehmann sagt ungern Adieu!

Er schenkt sich zum 70. Geburtstag die Pensionierung: «Schnöggu» Lehmann – der unverwüstliche Mann der kleinen und feinen Drucksachen in Grenchen. «Repro Chapuis» steht am Schaufenster an der Bielstrasse 19. Morgen Freitag feiert er seinen grossen Geburtstag, und zehn Tage später ist das Traditionsgeschäft von Grenchen Geschichte. Der Abschied fällt «Schnöggu» alles andere als leicht.

«Schnöggu» Lehmann, wie man ihn hinter der Ladentheke kennt. Bild: Joseph Weibel
«Schnöggu» Lehmann, wie man ihn hinter der Ladentheke kennt. Bild: Joseph Weibel

Die Ladenfrequenz ist wieder gestiegen, seit Georg Lehmann seinen Rückzug aus dem Arbeitsleben bekannt gegeben hat. Viele kämen noch einmal vorbei, mit oder ohne Auftrag, erzählt er und während er das sagt, tritt der nächste Kunde ein. «Du willst wirklich aufhören?», fragt er «Schnöggu». Der sagt immer wieder das gleiche: «Ja, leider.» Sein Übername ist Programm. «Schnöggu» steht für «Schorsch», Georg, genau genommen. 40 Jahre war er am Schlagzeug und Leadsänger der legendären «Golden Silents»: zusammen mit Heinz Gisiger, Thomas Studer, Angelo Silvestro (†) oder Teddy Zahler (†). Damals war er noch angestellt bei Georges Chapuis, der 1958 sein Reprogeschäft gründete und es 40 Jahre später seinem langjährigen Mitarbeiter übergab.

Und was macht er danach?

Aber das alles erzählt er natürlich dem Kunden nicht, der das Resultat seines Auftrags erhält und von «Schnöggu» gefragt wird, ob 20 Franken gut seien. Klar, kein Thema. Seine, zum Teil langjährigen Kunden schätzen die fairen Preise von ihm. «Reich bin ich so nicht geworden», schmunzelt er, «aber mir war wichtig, dass ich immer meine Rechnungen pünktlich habe bezahlen können.» Die Frage vom Kunden muss kommen: «Und, was machst du nachher?» Gute Frage. Ganz genau weiss «Schnöggu» das auch noch nicht. Zum Kunden sagt er: «Zuerst werde ich die Garage streichen und mich wohl mit dem Staubsauger anfreunden müssen.» Schliesslich sei seine Frau noch arbeitstätig. Mit ihr hat er seinerzeit das Geschäft von Chapuis übernommen, zusätzlich half noch seine Schwester mit im Geschäft. «Schnöggu» ist Grossvater – vielleicht geht er in dieser Rolle auf. «Die eine ist erwachsen, die andere 4-jährig. Mit ihr möchte ich gerne etwas mehr Zeit verbringen», freut er sich schon auf seine «neue Zeit».

Die Arbeit ging vor zehn Jahren zurück

Ja, lange Zeit sei der «Laden» sehr gut gelaufen – bis vor zehn Jahren, da kam der Digitaldruck und das Kopiergeschäft ging mehr und mehr zurück. Seine Frau Daniela ging dann einer neuen Tätigkeit nach. Georg Lehmann hat das Geschäft von Beginn mit Herzblut geführt, und das änderte sich auch nicht, als die Aufträge rarer wurden. Im Ladengeschäft standen in den ganz guten Zeiten ein Grossformatkopierer und ein Kleinoffsetdrucker. Einen guten Namen machte er sich mit den so genannten Lichtpausen: Ausdrucke für Bau- und Architekturgeschäfte. Die Zahl der Kunden hätte auch in diesem Segment abgenommen, seit es die CAD-Drucker gibt, die diese Arbeit übernommen haben. Nicht ohne Stolz erzählt Georg Lehmann von seinem Grosskunden Bundesamt für Wohnungswesen. «Für dieses in Grenchen ansässige Amt habe ich viel machen können.»

Leben und leben lassen

Viele seiner Kunden fragen ihn mit Bange: Und wo sollen wir jetzt hin? Darüber hat sich «Schnöggu» natürlich Gedanken gemacht und «in der Gegend herumgefragt», wie er sagt. So ist er auf Kocher Druck in Selzach gestossen. Den könne er bestens empfehlen. Er findet, dass jedes Geschäft seine Stärken hat. Die sollte man ihm auch lassen, findet er. Deshalb gab es für ihn in Grenchen keine Konkurrenz. Er spielte den beiden ortsansässigen Druckereien Aufträge zu, die er nicht selbst hatte bewältigen können. Umgekehrt machten es ihm seine Berufskollegen gleich – zum Beispiel, wenn es um Laminierarbeiten ging, auf die Repro Chapuis ebenfalls spezialisiert war. Viele Vereine kamen zu ihm, auch örtliches Gewerbe für den Druck von Kleinmengen. «Schnöggu», der viel lacht und erzählt, hält einen Moment inne und wird ernst: «Jetzt sind das 50 Jahre, seit ich hier arbeite. Das ist eine lange Zeit.» Gute Freundschaften seien entstanden, «und diese Leute fehlen mir. Aber alles hat sein Ende.» Wollte er nie sein Angebot erweitern oder ergänzen? Er habe mal T-Shirts drucken wollen. Es habe aber schon ein Anbieter in Grenchen gegeben. Also verzichtete er. Aber es kam trotzdem zu gegenseitigen Geschäftsbeziehungen. Typisch «Schnöggu»: leben und leben lassen.

Nun sei die Zeit gekommen, seinen Kunden ganz herzlich Danke zu sagen. «Ich freue mich, wenn der eine oder andere noch einmal vorbeikommt, bevor dann am 1. November endgültig Schluss ist.» Bereits verabschiedet hat sich der Vorgänger von seinem einstigen Mitarbeiter und gelernten Reprograf. Georges Chapuis (92) wollte «sein» ehemaliges Geschäft noch einmal sehen. «Schnöggu» wird ernst: «Ja, er hatte schon ein bisschen feuchte Augen.»