Claudia Dahinden: «Ich habe Lust und Freude am Schreiben bekommen.»

Le maître, habe ich im Welschen gelernt, steht für Lehrer. Also muss im «Maison Maître» an der Dählenstrasse in Grenchen ein Lehrer gewohnt haben. Das Haus wurde 1937 erbaut und ging 2010 in den Besitz einer Grenchnerin über, die Mitte Dezember ihr Erstlingswerk veröffentlicht – einen Roman, der in der Zeit des 19. Jahrhunderts spielt, als sich Grenchen immer mehr zu einem Uhrenzentrum entwickelte. Der Name der Autorin: Claudia Dahinden. Das «Maison Maître» hat sie 2010 zusammen mit ihrem Mann erworben und zu einem gemütlichen Daheim umbauen lassen. Dieser Umzug bedeutete auch eine Heimkehr nach Grenchen. Sie lebte längere Zeit mit ihrem Mann, mit dem sie sich 2008 verheiratete, in der Nähe von Bern.

Heute, elf Jahre später, erinnert sie sich an diese «Heimkehr», als wäre es gestern gewesen. «Es kam mir damals vor, als wäre ich nie aus Grenchen weggezogen.» Auch als sie zeitweise in Freiburg sesshaft war, wo sie Geschichte studierte, oder dann später in Bern: Grenchen war im Herzen ihre Heimat geblieben. Auch wenn sie damals nicht wusste, ob sie wieder einmal zurückkehren würde.

In dieser Heimat lebte ihr Vater, Bruno Meier, der seine beiden Töchter liebte und mit ihnen einen engen Kontakt pflegte. «Wahrscheinlich hätte er sich gewünscht, dass wir uns politisch etwas mehr engagieren», schmunzelt Claudia Dahinden. Er, Bruno Meier, war ein Sozialdemokrat und lebte ausgeprägt seine soziale Ader. Als sie in Freiburg studiert hatte, dann auch noch einen Mann aus dem Entlebuch kennen lernte und ihr die Politik zudem wenig anheim war, fand ihr Vater, sie habe doch ein paar «schwarze Züge», politisch gemeint. «Das war kein Vorwurf, mehr eine Feststellung von ihm. Er war halt schon sehr engagiert.»

Es bleibt vieles haften

Und wie. Zeit seines Lebens stellte sich Bruno Meier, noch besser bekannt unter seinem Pfadinamen «Knorrli», in den Dienst der Gesellschaft. 2019 rückte er «seine» Stadt in der SRF-Unterhaltungssendung «Mini Schwiiz, dini Schwiiz» ins beste Licht. Er war viele Jahre im Gemeinderat und im Kantonsrat, engagierte sich entscheidend für ein Jugendzentrum und baute während über zehn Jahren zusammen mit seiner Frau den Ferienpass auf. Claudia Dahinden erzählt viele solche Episoden aus dem Leben ihres Vaters, der letzten Frühling verstarb. «Auch wenn wir wahrscheinlich nicht in allen Belangen in seine Fussstapfen getreten sind, so bleibt vieles haften und ist prägend.» Claudia Dahinden schlägt in unserem Gespräch gerne immer wieder einen Bogen zu ihren Eltern. Die verschiedenen Bilder, die an der Wand hängen oder auf einer Ablage stehen, verstärken diese starke Verbundenheit. Sie zeigt mit dem Finger Richtung Westen. «Im Lingeriz sind wir aufgewachsen. Unsere Eltern haben über 30 Jahre lang dort gelebt.» Ihre Mutter verstarb früh, 2004 mit erst 55 Jahren.

Es sind einschneidende Ereignisse im Leben, die einen Menschen prägen und stark machen können. Claudia Dahinden jedenfalls wusste, was sie wollte. Sie entschied sich nach der Kanti für ein Geschichtsstudium an der Universität. Und anscheinend war es ihr Geschichtsprofessor, der Solothurner Urs Altermatt, der bei ihr die nötige Begeisterung auslöste für das Interesse an der Kultur- und Zeitgeschichte. Ihr beruflicher Weg führte sie dann zuerst in eine Richtung,, die möglicherweise ihr Vater auch eher mit einem schrägen Blick verfolgte. Sie arbeitete beim VBS, beim Chef Heer. Das sei eine sehr interessante und lehrreiche Zeit gewesen. Eine Lebensschule.

Wie alles begann

Dann kam bekanntlich dieses Jahr 2010 und der Umzug nach Grenchen. Sie arbeitete kurze Zeit in einer Anwaltskanzlei, dann traf sie wieder auf ihren ehemaligen Professor. Sie durfte ihm bei der Realisierung der Neuedition des Bundesratslexikons assistieren und hatte irgendwann den Drang, ihre Gedanken selbst aufs Papier zu bringen. Man schreibt für sich, seinen näheren Zirkel oder für die Menschheit. So kamen viele geschriebene Seiten zusammen, die sich als gesammeltes Werk zu einem Lebensratgeber entwickelte. Das Buch gab sie im Eigenverlag heraus, und es machte Lust auf mehr. Sie wollte einen Roman schreiben und stellte erste Plotgedanken an einem Weiterbildungsseminar in Deutschland vor. Eine Agentur stieg ein und half ihr bei der Suche nach einem Verlag. In ihren Gedanken begann sich die Geschichte zu verflechten. Als Geschichtsstudentin hatte sie sich auch mit der Entwicklung des einstigen Bauerndorfes Grenchen zur Uhrenstadt intensiver befasst – und mit dem Konfessionskrieg, der mit der Industrialisierung einhergegangen war. Der Zeitraum war für sie als Historikerin gegeben. Nun brauchte es noch eine Romanfigur – die Fiktion. Sie entwickelte die Romanfigur Sarah Siegwart, die bei einer angesehenen Familie die Stelle als Hauslehrerin annimmt, dem erwachsenen Sohn des Hausherrn näherkommt und sich zunehmend für die Uhrmacherei begeistert. Die Autorin rührte auch noch etwas Kriminalistik in die Handlung.

Und so begannsiezurecherchieren – in der Zentralbibliothek und im Zeitzentrum in Grenchen. Sie vertiefte sich in diese Epoche, die so viel ausgelöst und das Schicksal der Stadt so geprägt hat. Sie liess sich auch durch ihre eigene Historie inspirieren. Vor 40 Jahren war es normal, dass Frauen Heimarbeit leisteten. Das war auch bei ihrer Grossmutter, der Mutter ihrer eigenen Mutter, der Fall. Sie selbst sei auch in Kontakt mit der Uhrenindustrie gekommen, erzählt Claudia Dahinden, indem sie mit Ferienjobs ein Zugeld verdiente. Und sie erinnert sich an ihre erste Swatch und sagt: «Das Handwerk des Uhrenmachers hat mich immer fasziniert.» Und deshalb findet sie sich vielleicht auch wieder in der von ihr entwickelten Romanfigur Sarah Siegwart.

Nachfolge-Roman schon im Lektorat

Sie hat sich Zeit gelassen für das Schreiben ihres ersten «richtigen» Buches – und sie hat mit dem deutschen Penguin Verlag einen Herausgeber für dieses Erstlingswerk gefunden. Es trägt den Titel «Die Uhrmacherin – im Sturm der Zeit». Am 13. Dezember dieses Jahres wird es an einer Vernissage vorgestellt. Und während die ersten Leserinnen und Leser in diesem Grenchner Roman schmökern, ist bereits ein Nachfolgewerk in der ersten Überarbeitung. Sie beantwortet die noch nicht gestellte ­Frage: «Ja, ich habe Lust und Freude am Schreiben bekommen.»

Das Schreiben nimmt einen wichtigen Stellenwert in ihrem heutigen Alltag ein. Aber nicht nur. Sie ist religiös und engagiert sich in ihrer Kirche in der Kirchenleitung, mit Singen und Musizieren (Gitarre). Die engen Familienbande lebt sie heute mit ihrer jüngeren Schwester, die mit ihrem Mann und vier Kindern im Aargauischen lebt, und mit den noch lebenden Geschwistern ihres Vaters, die mit ihren Familien in Grenchen leben. Hier pflanze auch einer die politischen Wurzeln ihres Vaters weiter: ihr Cousin Matthias Meier-Moreno. Und auch er, schmunzelt sie, wandle auf «schwarzen» Pfaden, parteipolitisch gesehen.

Was gibt es sonst noch im Leben der schreibenden Claudia Dahinden? Sie schmunzelt: Nichts Spektakuläres. Was ich hören wolle? Sport? Ja, ein bisschen. Sie habe eine Zeit lang Tennis gespielt. Heute geht mit sie mit den Stöcken ­walken. Und sonst? Schaut sie gerne ­Filme im Netflix und natürlich: lese sie gerne. Mehr braucht es nicht. Und wenn das alles nicht hilft, steigt sie einfach eine Etage höher und bringt in der Schreibstube ihre neusten Gedanken aufs Papier.

Die Vernissage im Kulturhistorischen Museum am 13.12. um 19.00 ist öffentlich. Anmeldung: info@museumgrenchen.ch