Hier geht es zum nachhaltigen Einkaufserlebnis

Der Begriff «Nachhaltigkeit» ist längst zum Modeartikel geworden. In der Praxis wird er aber nicht immer angewendet. Ein gutes Beispiel sind «claro»-Läden in der Schweiz, die Produkte vertreiben, die ökologisch sinnvoll hergestellt werden und bei denen den Produzenten der Rohstoffe ein fairer Preis bezahlt wird. In der Schweiz gibt es weit über 100 «claro»-Läden, unter anderem auch in Grenchen.

Die Schokolade aus Ghana steht derzeit ganz vorne im Sortiment im «claro»-Laden in Grenchen. Aber es gibt noch einiges mehr, was man in diesem Geschäft betrachten und auch kaufen kann. Auf dem Bild sind zwei der sechs aktiven und freiwillig tätig
Die Schokolade aus Ghana steht derzeit ganz vorne im Sortiment im «claro»-Laden in Grenchen. Aber es gibt noch einiges mehr, was man in diesem Geschäft betrachten und auch kaufen kann. Auf dem Bild sind zwei der sechs aktiven und freiwillig tätigen Damen im «claro»-Laden in Grenchen (von links): Christine Bögli und Louise Culmone.

Im Ladenlokal an der Rainstrasse 20 strahlen mir zwei Frauengesichter entgegen: Louise Culmone und Christine Bögli. Sie sind zwei von sechs freiwilligen Helferinnen, die bemüht sind, das reichhaltige Sortiment von «claro» an Mann und Frau feilzuhalten. Mein Blick fokussiert die grosse Palette an Kaffee, Tee, Kakao, Honig, Getreide, Teigwaren, Schokolade, Essig, Öl, Snacks und eine grosse Auswahl an schönen und vor allem auch brauchbaren Produkten, die sich bestens auch als Geschenk und Mitbringsel eignen. Gut sichtbar platziert sind im Moment verschiedene Schokoladentafeln aus Ghana. Die Schokoladefabrik wurde 2013 gegründet und ist seit drei Jahren Lieferantin von «claro». Auf diese Sortimentserweiterung setzen auch die zwei Damen im «claro»-Laden in Grenchen.

Zwei langjährige Helferinnen

Die beiden Damen wissen, wovon sie sprechen. Christine Bögli ist seit 2006 im Verein (früher Dritte-Welt-Laden), Louise Culmone stiess drei Jahre später zum Team. Sie besuchen zweimal im Jahr die grossen Neuheitenpräsentation im «claro»-Hauptsitz in Orpund BE. Sie kennen ihre Stammkunden und haben auch die nötige Erfahrung, was trendy und gut verkaufbar sein könnte. «Es gibt Produkte, die wir immer wieder nachbestellen», sagt Louise Culmone und zeigt auf die handgefertigten Waschkörbe aus Bastfasern. Die stehen auch immer an vorderer Front im Schaufenster. Ein Renner sind auch die verschiedenen Kaffeesorten. Es gebe Kundschaft, die hole sich regelmässig hier «ihren» Kaffee. Jedes 15.Paket ist gratis.

Keine direkte Passantenlage

Christine Bögli hat festgestellt, dass seit der Wiedereröffnung nach dem Lockdown der Zulauf merklich grösser geworden sei. «Leider hielt dieser Wandel nicht dauerhaft an», bedauert sie. Der Standort an der Rainstrasse ist suboptimal, weil hier kein direkter Konsumentenstrom ist. Deshalb ist es gut möglich, dass viele Passanten in der Stadt von diesem Laden bzw. dessen Sortiment keine Ahnung haben.

Früher nannte man das Sortiment solcher Läden «Kolonialwaren», die sich durch ihr grosses und individuelles Sortiment auszeichneten. Diesem Grundgedanken folgt das Konzept der Institution «claro», die ihre Tätigkeit bereits 1974 mit einem ersten Weltladen im zürcherischen Uster aufnahm. Der Grundstein für «claro» Fair Trade wurde drei Jahre später gelegt mit der Aktion «Jute statt Plastik».

Qualität vor Quantität

Wieder fällt der Blick auf die schön gestaltete Angebotstheke. Weisser Balsamico? Gibt es das? «Ja, das gibt es», schmunzelt Louise Culmone. Der Essig sei sehr beliebt, weil er wesentlich «sanfter» sei als klassischer weisser Essig. Die Öl- und Essigprodukte stammen vom Produzenten Terra Verde. Die Haut- und Körperpflegeprodukte ein Regal weiter sind von Farfalla aus Uster und Soglio, einer Kosmetikproduzentin aus dem Bergell. Ah, da sind sogar Spielwaren! Diese nicht überall erhältlichen Spielsachen werden in der Stiftung Weizenkorn produziert, die Glaswaren mit Trinkgläsern, Krügen und hübschen Accessoires aus Glas stammen von Terra Vecchia. Diese Produzenten stellen mit heimischen Stoffen her und verbinden die Produktion mit Handarbeit. Da ist es klar, dass das Angebot im «claro»-Laden nicht unbedingt mit den Produkten im Grossverteiler konkurrieren kann. «Das wollen wir auch nicht», sagen die beiden. «Qualität kommt bei uns immer vor Quantität.» Und hier fällt meist gleichzeitig der Begriff «Nachhaltigkeit». Das gilt ebenso für den handgemachten Schmuck und die Schals wie für die kreativen kleinen Kunstwerke in Form von schönen Dekoschalen, Dosen, Vasen, Mörsern oder Schüsseln aus Porzellan.

Einkaufen kann «süchtig» machen

Das schweizweite «claro»-Netz ist zwar eng gesponnen, aber in der unmittelbaren Region besitzt Grenchen ein Alleinstellungsmerkmal. «Es kommt nicht selten vor, dass Stammkunden aus der Stadt und der näheren und weiteren Region regelmässig ihren Wocheneinkauf bei uns machen», sagt Louise Culmone.

Die beiden langjährigen ehrenamtlich tätigen Frauen wünschen sich jüngeres Blut im Verein «claro»-Laden. «Wir wollen nicht Passivmitglieder, sondern Frauen, die gerne im Verkaufslokal tätig wären.» Dabei muss die Freude im Vordergrund stehen, weil es für die Mitarbeit keinen Lohn gibt. Nachhaltiges Einkaufen scheint bei der jüngeren Bevölkerung angekommen zu sein. Die Kundschaft sei merklich jünger geworden.

Einen nicht unwesentlichen Ausgabenposten gibt es schon bei dieser Organisation. Es ist der Mietzins für das Lokal. «Da wünschten wir uns eine Reduktion, damit wir unsere Arbeit etwas entspannter verrichten können», hoffen Christine Bögli und Louise Culmone auf die Einsicht ihres Vermieters.

Aber eigentlich wollte ich hier im Laden Schokolade posten. Daraus wurde mehr. Anzündwürfel für den Grill gibt es auch hier – handgefertigte. Und den weissen Balsamicoessig muss ich ebenso testen. Wer hier zu lange im Laden verweilt, läuft Gefahr, dass er viel mehr einkauft, als er zuvor eingeplant hat…