Der Rebberg des Staader Andreas Marti

Nein. Es ist nicht die Geschichte eines Mannes, der in seiner Kinder- und Jugendzeit davon träumte, einmal Winzer zu werden. Der 59-jährige Grenchner Andreas Marti hätte sich eine solche Berufung damals nicht vorstellen können, obwohl er schon relativ früh ein paar Rebstöcke «zum Hausgebrauch» pflanzte. Sein Weg sah eine andere Richtung vor. Als er sich aber vor einigen Jahren Gedanken machte, wie er einen Teil der gewonnenen Zeit nach der Pensionierung nutzen könnte, kamen die Reben (wieder) ins Spiel.

Andreas Marti vor einem Teil der Reihen mit seinen Rebstöcken im Grenchner Weiler Staad. Bild: Joseph Weibel
Andreas Marti vor einem Teil der Reihen mit seinen Rebstöcken im Grenchner Weiler Staad. Bild: Joseph Weibel

Wir stehen vor diesen Reihen mit Rebstöcken unweit vom Ufer der Aare entfernt. Angefangen hat beim Staader Landwirt Andreas Marti alles mit zwei Reihen mit Rebstöcken. Er schaut kritisch auf die dunkelblauen Bündel mit Weintrauben. Sie sind mit Netzen geschützt. Vögel, unter anderem, mögen ebenfalls Trauben. Marti gefielen dieses Jahr aber vor allem die vielen Regentage im Sommer nicht. Sie haben auch die Saat auf seinen Äckern stark beeinträchtigt. «Ich hoffe nun noch auf ein paar schöne Herbsttage, mit etwas Feuchtigkeit und viel Sonne», sagt er.

90 Öchsle wären ideal

Vergangenes Jahr habe er nach einem überaus warmen und schönen Sommer die Trauben zu früh gepflückt. Weil der Sommer so trocken war, erwartete er einen eher feuchten Herbst. Das Resultat des (zu) frühen Pflückens ist ein tieferer Öchslegrad. 90 seien ideal, sagt Andreas Marti. 90 möchte er mit der diesjährigen Ernte erreichen.

An seinen Rebstöcken wachsen die beiden Rebsorten Divico und Garanoir. Vor allem die Divico zeichnet sich mit ihrer Resistenz gegen Mehltau aus. Das gilt auch für die Rebsorte Sauvignac (Weisswein), die Marti neben der zweiten Weissweintraube Cabernet Blanc kultiviert und voraussichtlich in einem Jahr erstmals ernten kann. Drei Jahre lang müssen junge Rebstöcke gehegt und gepflegt werden, ehe sie erstmals Früchte tragen.

Beschäftigung nach der Pension

Seine früh gemachten Gedanken, wie er seine Pensionierung verbringen will, kommen nicht von ungefähr. Mit ein Auslöser war die Nachfolgeregelung für seinen Betrieb, der auch die Mammutholzerei, die er bis vor zwei Jahren betrieb, umfasst. Sein Sohn verbrachte sein Landwirtschaftslehrjahr in einem Weingut in Erlach. Da war für Andreas Marti klar: Was er vor 20 Jahren mit ein paar Rebstöcken «für den Hausgebrauch» tat, sollte zur Passion, zu einer neuen Herausforderung werden. Dafür hat er aber nicht noch einmal die Schulbank gedrückt, um die Weinkunde von der Pieke auf zu lernen. Das Grundwissen eignete er sich mit einschlägigen Kursen an und las viel über Rebsorten und Wein.

Denn im Hof sucht man vergebens nach einem Weinkeller mit den nötigen Utensilien für das Keltern von Wein. Er liefert seine Trauben im Oktober nach der Ernte ins Weingut Marolf in Erlach. Dort entsteht aus den Trauben von Andreas Marti bis im April trinkfähiger Wein– geliefertin7,5-Deziliter-Flaschen.

Arbeiten im Rebberg

Der Rebberg an den Gestaden der Aare müsste wesentlich grösser sein – Andreas Marti spricht von mindestens zehn Hektaren –, damit auch das Keltern des Weins ausgehe, begründet Andreas Marti das «Outsourcing» dieser Arbeit. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Gedeihen der Rebstöcke. Das ist schliesslich mindestens die halbe Wissenschaft des Weinbaus. Um auf 900 bis 1000 Gramm Ertrag auf einen Quadratmeter zu kommen, sollte ein Rebstock nicht mehr als sechs Triebe haben. Das erklärt die Tatsache, dass er bis vor drei Wochen jeden Sonntag in den Reben gewesen sei. Laubarbeiten beschäftigen ihn in dieser Zeit ebenso wie die Regulierung durch das Zurückschneiden der Triebe. Sind zu viele Traubenbündel an einem Stock, nehmen die kleineren Traubenzottel den grösseren Weintrauben die Oechsle weg, versucht Andreas Marti die Arbeit zu veranschaulichen.

Nur einmal gab es einen Nuller

Die Ernten seien bislang immer recht gut gewesen – «bis auf ein Jahr, da hatten wir wegen der Essigfliege einen ‹Nuller› eingefahren». Dass der Rotwein aus dem Hause Marti gut schmeckt, beweist die Tatsache, dass bereits zwei Restaurants in Grenchen seinen Wein auf der Karte haben. Die Nachfrage nach Weisswein gab ihm dann vor drei Jahren den entscheidenden Kick, weisse Rebsorten zu kultivieren. Bei diesen Rebstöcken ist auch der Ertrag von rund 1300 Gramm etwas grösser als bei roten Traubensorten. Sein Lachen im Gesicht verrät, dass er sich auf kommendes Jahr schon jetzt freut, wenn die ersten Weintrauben mit der Cabernet Blanc und der Sauvignac gedeihen.

Weinbau in Grenchen hat Tradition

Dass in Grenchen Weinbau betrieben wird, ist nicht neu. Es gibt einige Hobbywinzer, die meist auf kleinem Raum ­Rebstöcke kultivieren und selbst Wein ­produzieren – zum Teil auch sehr schmackhaften. Die Weinbauchronik Grenchen geht zurück bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts. Die Rebberge, ist in der Stadtgeschichte nachzulesen, befanden sich ausnahmslos in sonnigen und aussichtsreichen Lagen wie Schön­egg/Rebgasse, Traubenweg/Weinberg­strasse, Neue Zelg, Gespermoosstrasse, Bergstrasse und Grubenweg.

Für Andreas Marti wäre es vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen, an den Gestaden der Aare Wein zu kultivieren. Die Klimaerwärmung mit wärmeren Perioden hätten das erst möglich gemacht. Er selbst liebt leichte, eher fruchtbetonte Weine. Dieses Prädikat zeichnen auch seine eigenen Weine aus.

Ertrag über mehrere Jahre rechnen

Der Weinbau ist noch nicht das ganze Leben des 59-jährigen Landwirts aus Staad. Er ist nach wie vor mit seinem Sohn im Ackerbau tätig. Sie säen Getreide (Weizen, Gersten, Dinkel), Zuckerrüben, Raps und Eiweisserbs an. Dass die diesjährige Ernte eher bescheiden ausfällt, sagte er schon. Er will aber mit diesem Umstand nicht hadern, sagt: «Man muss den Ertrag über sieben Jahre rechnen.» So sieht er es auch beim Wein. Ganz besonders dann, wenn es dereinst zu seinem ganz grossen Hobby geworden ist und er seinen Wein auch in einem grösseren Rahmen an Mann und Frau bringen kann.