Nachhaltigkeit hat seinen Preis

115 Jahre, vier Generationen: Ein erfolgreiches regionales Malergeschäft hat einen Namen: Hetzel Maler + Gipser AG, Grenchen. Hinter der vierten Generation steht Christian Hetzel, 54 Jahre alt. Er wird der letzte Malermeister Hetzel sein, der die Familientradition fortführt. Für ihn ist aber klar, dass der Betrieb auch ohne familiäre Nachfolge weiterleben soll. Ein Blick hinter die Kulissen der vierten Generation.

Malermeister Christian Hetzel präsentiert seine reichhaltige Farbauswahl. Das Zusammenmischen von einzelnen Farben führt zu kreativen Farbkombinationen. Bild: Joseph Weibel
Malermeister Christian Hetzel präsentiert seine reichhaltige Farbauswahl. Das Zusammenmischen von einzelnen Farben führt zu kreativen Farbkombinationen. Bild: Joseph Weibel

Wir sitzen an der Gibelstrasse 12 in Grenchen am kleinen Besprechungstisch. Das Büro der Hetzel Maler + Gipser AG ist im ersten Stock. 1938 erwarb Willy Hetzel, Firmenchef in zweiter Generation, die ehemalige Garage Maire und vergrösserte die Liegenschaft mit zwei Wohnetagen. Hier sitzen Christian Hetzel und ich am kleinen Besprechungstisch. Die Frage um 10 Uhr morgens ist klar: «Einen Kaffee?» Nein, danke. Ein Neujahrsvorsatz ist die Reduktion des Kaffeekonsums. Der Firmenchef lässt nicht locker: «Das ist ein besonderer Kaffee.» Aus Zuoz im Bündnerland von der Rösterei Badilatti. Hier werden auf 1716 Metern feinste Kaffeebohnen aus Südamerika geröstet. Über die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen informiert sich der Chef der Manufaktur regelmässig persönlich. Für den Rohstoff bezahlt er einen anständigen Preis, damit auf den Plantagen nicht noch Drogen angebaut werden müssten, erklärt Christian Hetzel die Philosophie der Kaffeerösterei. Das ist für ihn Nachhaltigkeit. Und die lebt er auch in seinem Betrieb konsequent. 
Militärdienst war ein «Dürfen»
Der Kaffee bleibt nicht das einzige ­Thema, das uns vom eigentlichen Gesprächsthema ablenkt. Das Stichwort «Nachhaltigkeit» führt uns in die Schweizer Armee, und da hat Christian Hetzel viel zu erzählen. Es ist unschwer zu erkennen, dass für ihn der Dienst am Vaterland kein «Muss», sondern ein «Dürfen» war. Über 1200 Diensttage hat er absolviert. Er hat zehn Jahre eine Kompanie geführt, wurde zum Oberstleutnant und später gar zum Oberst befördert, was ihn zu einer nicht unwichtigen Erkenntnis verleitet: «Es gibt wohl nur wenige Malermeister in der Schweiz, die Oberst wurden», schmunzelt er. Er war überdies eine Zeit lang tätig im kantonalen Führungsstab. Das sei eine schöne Zeit gewesen, die ihm zudem seinen eigenen Horizont erweitert habe. 
Dank dieser militärischen Karriere seien im Laufe der Jahre viele förderliche Seilschaften entstanden. Damals, in ­einer eigentlichen Drang- und Sturmphase, zog es ihn, wie seinen Vater und Grossvater, auch in die Politik. Genau genommen in den Gemeinderat. Nach zwei Legislaturperioden hatte er genug. Er vermisste zunehmend eine gesittete politische Gesprächs- und Führungskultur. Dafür ist er heute noch Präsident der Einbürgerungskommission in der Bürgergemeinde. 
Mit Pinsel und Farbe am Zürichsee
Wechseln wir zur Malerei. Christian Hetzel zog es in seinen Lehr- und Wanderjahren nicht gleich in die Ferne, aber an die Gestade des Zürichsees. Er arbeitete bei Fontana & Fontana in Rapperswil-Jona. Für die Meisterprüfung zog Christian Hetzel wieder in die Heimat, nahm dann aber später noch einmal eine Herausforderung bei Schlagenhauf in Meilen an. Das war 1993. Drei Jahre später beschied ihm sein Vater Georg Hetzel, er wolle kürzertreten. Er war 60 und plante einen gestaffelten Rückzug bis zur Pensionierung. 2000 übernahm Christian Hetzel nach vier Jahren Mitarbeit den Betrieb. «Die Zeit war goldrichtig, in jeder Beziehung», erwidert Christian Hetzel. Und die Nachfolgeregelung beispielhaft, wäre ein mehr als vertretbarer Nachsatz. 
Basic-Check: Zu akademisch
Ein überaus traditionelles Malergeschäft, fokussiert auf Renovationen und Sanierungen. Von der Facharbeit her gesehen wertet er diese Art von Tätigkeit anspruchsvoller. «Wir sind lokal und regional verankert. Und so soll es bleiben.» Neun Mitarbeitende, davon ein Lernender, sind derzeit im 115 Jahre alten Betrieb tätig. Heute deckt der Betrieb, spezialisiert auf Renovationen und Sanierungen, eine grosse Anforderungspalette im Baugewerbe ab. Neben dem traditionellen Malen und Gipsen pflegt Christian Hetzel vermehrt Spezialitäten wie Lasurtechniken, Stucco Veneziano und viele andere dekorative Wandtechniken. 
Wenn er von den «echten» Farben spricht, von den mineralischen, kommt er ins Schwärmen. Er vergleicht die Pflege einer Fassade mit der Pflege der menschlichen Haut. «Eine Fassade darf würdig altern – ohne hohe Farbschichtdicken und schon gar nicht mit Chemikalien.» Die hohe Affinität zur Fassadengestaltung kommt nicht von ungefähr. Sein Vater Georg 1999 erhielt in einem gesamtschweizerischen Wettbewerb über Fassadengestaltung den ersten Preis. Die Arbeit mit mineralischen Farben ist teurer, aber nachhaltiger. Deshalb hat sich die Firma vor allem Renovations- und Sanierungsarbeiten verschrieben, um nicht diesen manchmal gnadenlosen Preisdruck bei Neubauten ausgesetzt zu sein. Er ist stolz auf sein Handwerk. Und wird dieses mit qualitativ hochwertiger Arbeit geführt, so wird ein Malergeschäft in seiner Grösse immer Bestand haben. Das Grenchner Malergeschäft beschäftigt aktuell neun Mitarbeitende (inklusive eines Lernenden). Expansion sei nicht geplant, sagt er mit Nachdruck. Ist es schwierig, Lernende zu finden? Die Frage entlockt ihm ein Jein. Schade findet er, dass Eltern verstärkt die Tendenz hätten, ihre Kinder zu sehr in die akademische Ecke zu drängen. Der vielbeschriebene goldene Boden des Handwerks werde immer wichtiger. «Er wird noch an Bedeutung gewinnen.»  
Sport: Auch, aber nicht nur
Wer Christian Hetzel kennt, weiss, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Beharrlichkeit und Führungsstärke hat er sich im Militär angeeignet. Das heisst aber nicht, dass es ihm an Humor und Schlagfertigkeit fehlt. Die Mischung muss stimmen. Bei ihm tut sie es. Er spricht von seiner Tätigkeit als Experte bei den Lehrabschlussprüfungen. Er sei der Amtsälteste, schmunzelt der 54-Jährige. «Es wird Zeit, langsam das Gesicht zu wechseln.» Er wird im Frühling dieses Jahres Präsident der Ortsgruppe der Grenchner Maler und Gipser und ersetzt Urs Lanz aus Lengnau. 
Christian Hetzel ist ein Schaffer. Er hat aber auch ein Privatleben. Wie ist es mit dem Sport zum Beispiel? Er gehe immer im Januar mit dem ehemaligen und mit ihm befreundeten Radrennbahnfahrer Franco Marvulli auf eine Schneeschuh-Tagestour im Jura, mit anschliessender Einkehr im Unterberg. Aha. Und sonst? «Wir haben einen Raum voller Fitnessgeräte.» Der Zuspruch sei unterschiedlich, meint er. Da hält ihn wohl eher der Hund im Haus auf Trab? Heute schon eher. Es habe aber Zeiten gegeben, da sei seine Frau Belgin vielfach mit dem Hund unterwegs gewesen. Jetzt ist es ein bisschen anders. Er geniesst seine Auszeiten gerne in der Natur – auf den Grenchenbergen oder an der Lenk. Und wo hat er seine Frau kennen gelernt? Er feixt: «Jedenfalls nicht beim Sport!» Auf einer Hausbesichtigung habe er die Liegenschaftsverwalterin erstmals getroffen. Mit dabei war offenbar auch Amor – der hatte Pfeil und Bogen griffbereit. Und traf. Das war vor gut 20 Jahren.  
Etwas möchten natürlich alle wissen: Wie ist das in zehn Jahren, wenn Christian Hetzel, der die vierte Generation des 115 Jahre alten Unternehmens vertritt, langsam an den Rückzug denkt? Der Gedanke sei nicht erst seit heute präsent. «Noch sind es aber vorwiegend Sandkastenspiele», sagt der Militärstratege vom Dienst. Wie das dereinst aussehen könnte, wagt er noch nicht zu sagen. Die Ehe ist kinderlos. Eine fünfte Generation wird es nicht geben. «Aber der Betrieb soll weiterleben, auch ohne familiäre Nachfolge.» Das sagt er ohne Schmunzeln im Gesicht, sondern ganz im Ernst.