Der erfolgreiche Zimmermann von Lengnau
«Die Axt im Haus erspart den Zimmermann». Wirklich? Das Zitat von Friedrich Schiller mag heute nicht mehr ganz zutreffend sein. Fachleute sind mehr denn je gefragt. Der Lengnauer Patrick Schlatter ist im und mit diesem Metier aufgewachsen und heute erfolgreich unterwegs. Mit 54 Jahren hat er bereits seine Nachfolge eingeleitet.

Ist hier ein Reiterhof, ein Bauernhof oder eine Zimmerei? Adresse: Im Winkel 7, Lengnau. Solche Fragen stellen vielleicht Fremde. Einheimische wissen längst, dass hier Patrick Schlatter seine Firma betreibt. Für Einheimische ebenfalls neu: Die Firma heisst jetzt Mittelland Holzbau AG.
Die Gründung eine Aktiengesellschaft ist für den Firmenchef eine Schutzmassnahme, die er sich, mit mittlerweile 54 Altersjahren, zugesteht. Er leitet damit aber auch die Nachfolgeregelung für sein erfolgreiches Unternehmen ein. Nico Allemann arbeitet seit elf Jahren in der Firma mit und ist Teilhaber in der Aktiengesellschaft. Er wird dereinst die Mittelland Holzbau AG übernehmen.
Ganz ursprünglich: Vom Bau- zum Pferdehof
Aber kommen wir zurück auf Feld 1. Patrick Schlatter schmunzelt, als er mich bei der Suche nach einer Eingangspforte entdeckt. Ich stehe vor einer mit Sand überdeckten Koppel, wo gewöhnlich, wie ich vermute, Pferde traben. So unrecht hätte ich nicht, wenn ich vermute, dass hier ein Reiterhof sein könnte. Die Liegenschaft sei vor ziemlich 100 Jahren gebaut worden und war eine Liegenschaft für einen Baumeister mit Pferd und Wagen. Ausserdem hatte das Gebäude viele kleine Zimmer, die an Saisonniers vermietet wurden. Der erste Besitzer war ein Baumeister namens Wolf. 1997 hat Patrick Schlatter die Liegenschaft, die in unmittelbarer Nähe seines Elternhauses steht, kaufen können. Seither zimmert der Zimmerpolier in eigener Sache in dieser Liegenschaft. 2007 wurde die Werkstatt ausgebaut und elf Jahre später das Parterre renoviert. Derzeit ist die Wohnung im Umbau. Ein nächstes grosses Vorhaben ist ein neuer Dachstock mit Dachwohnung. Für den Zimmermann kein Problem. Das ist einer seiner wichtigen Kernkompetenzen. Bis in sechs Jahren, dann wird Patrick Schlatter 60, will er den Umbau realisiert haben.
Schnell ging es aufwärts
So wie Patrick Schlatter erzählt, arbeitet er. Unentwegt, frei und immer mit einem entspannten Lächeln im Gesicht. Beruflich, sagt er, habe er die Coronakrise kaum wahrgenommen. Die Auftragsbücher waren voll, und weder Materialverteuerung oder Zinsanstieg seien für die Auftraggeber ein Thema gewesen. Und auch wenn sich im Bausektor eine Entspannung abzeichnet, so sei das nächste Halbjahr mit Arbeit abgesichert. Nicht nur für ihn, sondern für alle 80 Betriebe in der Region. «Region» heisst: ein Tätigkeitsfeld zwischen Biel bis Solothurn und Bern.
Als er 2002 die Einzelfirma gegründet habe, habe er schmunzeln müssen. «Ich wollte nie selbstständig werden. Und wenn doch, dann wollte ich immer alleine tätig bleiben.» Das war anfänglich so. Aber nach den ersten fünf Jahren ging es mit dem Betrieb ständig aufwärts. Er musste Mitarbeitende einstellen. Heute sind acht Mitarbeitende auf der Lohnliste, seine Frau und er inklusive. «Michaela, meine Frau», fügt er gleich an, «ist ausgebildete Reittherapeutin und fördert Kinder mit Auffälligkeiten.» Das sei ihre Haupttätigkeit. Im Betrieb kümmere sie sich um die Administration.
Er weiss, was Wertschätzung heisst
Es gibt aber noch eine andere berufliche Geschichte von Patrick Schlatter, an die er sich auf der einen Seite ungern erinnert, die ihm auf der anderen Seite aber die Augen geöffnet hat, wie er berichtet. «Das Hinterfragen, wieso ein Betrieb stagniert oder stetig Marktanteil verliert, hat mir gezeigt, dass Dankbarkeit und Qualität im Vordergrund stehen sollten.» Ihm sei heute bewusst, wie wichtig es sei, gute Leute zu fördern und zu schätzen. Und dazu zählt er auch die Menschlichkeit. Nicht jeder Franken, den man zusätzlich für einen Kunden aufwende, müsse bezahlt sein.
Dass er und seine Mitarbeitenden gute Arbeit abliefern und seine Worte mehr als nur Floskeln sind, belegt seit 2017 das Plus-Label, mit dem die Firma zertifiziert wurde. Das Qualitätslabel Holzbau Plus zeichnet Holzbaubetriebe aus, die sich nach drei Grundsätzen richten (Der Mensch im Zentrum; Bewährtes bewahren und Entwicklung fördern; Ein Arbeitsumfeld, das für alle stimmt) und betrieblich leben. Von den schweizweit knapp 2000 Holzbaubetrieben tragen gerade 64 das Label. Die Mittelland Holzbau AG ist der kleinste Betrieb mit dem Plus-Label. Mehr als bemerkenswert.
Ganz schön vielseitig, der Beruf
Und obwohl seine Firma gut läuft, gibt Schlatter seit 17 Jahren als Fachlehrer im Nebenamt sein Wissen an den Berufsnachwuchs weiter. Damit habe er sich unter anderem fast von Beginn weg ein gesichertes Nebeneinkommen realisieren können. Der Beruf des Zimmermanns bzw. der Zimmerin ist vielfältig: Zimmermänner und Zimmerinnen erstellen und reparieren Holzbauwerke, richten Dachstühle auf, bauen Holzhäuser, Scheunen, Sporthallen, Brücken und Fassaden. Sie konstruieren Treppen und Türen, täfern Wände und Decken, verlegen Böden, setzen Fenster ein und isolieren Häuser. Die Lehre dauert vier Jahre.
Frontmann sei heute Nico Allemann, wie Schlatter ausgebildeter Holzbaumeister. Patrick Schlatter ist vor allem im Büro tätig, akquiriert Aufträge und sorgt für die Verbindung zwischen Homebase und Baustelle. Noch ist der Sitz der Firma Im Winkel 7. Nach einem neuen Standort streckt er die Fühler aus, denn Im Winkel 7 wird er mit seiner Frau auch nach dem Rückzug aus der Firma wohnen.
Bleibt noch ein bisschen Zeit für anderes? Da schmunzelt er wieder, Patrick Schlatter. «Ja, schon. Es gibt noch ein Privatleben!» Eine Passion war 20 Jahre seine Tätigkeit als Handballschiedsrichter bis in oberste Ligen. Irgendwann habe das nicht mehr gestimmt. Auf die Hintergründe will er nicht näher eingehen. Nur so viel: Macht und Amt sollten nie denselben Nenner haben. Und sein Gesicht verrät: Patrick Schlatter kann auch mal ganz ernsthafte Züge aufsetzen.