Die «Fifties» – eine Ausstellung für Nostalgiker und Kritiker

Gestern Mittwoch öffnete das Kultur-Historische Museum Grenchen erstmals in diesem Jahr wieder seine Tore. Heute in drei Wochen wird eine Jahresausstellung eröffnet: «Kunterbuntes Wirtschaftswunder? Aufbruch in neue Welten».

(Ein-)Blick in das Wohnzimmer der «Fünfziger». Bild: Joseph Weibel
(Ein-)Blick in das Wohnzimmer der «Fünfziger». Bild: Joseph Weibel

Die Nachkriegsjahre zwischen 1945 und 1965 brachten Grenchen mehr als anderen Schweizer Städten eine enorme wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Der beispiellose Boom in der Uhrenindustrie führte zu einer grossen Wohnungsnot in der Stadt. Dieser wurde unter anderem mit dem Bau des Sorag-Hochhauses am Marktplatz entgegengewirkt. Es war das erste Hochhaus im Kanton Solothurn und eines der ersten in der Schweiz. Der Boom ist heute noch an vielen Bauten zu sehen, die damals in kurzer Zeit an der Gemeindeversammlung beschlossen und realisiert wurden, beispielsweise das Parktheater, Gartenbad und die Fussballtribüne sowie 3 (!) Schulhäuser (Schulhaus IV, Kastels, Eichholz). Grenchen wurde zur Stadt. 
Luzia Meister sammelt seit 2010, als sie nach Grenchen zog, Gegenstände, die diese Geschichte illustrieren können. Angefangen von Haushaltskleingeräten über Verpackungen, Werbung, Mode, Schönheitspflege, Wohnen und Haushalt, Kommunikation, Kino und Fernsehen.
2016, als das Grenchner Fest erstmals unter dem Motto «Fifties» stand, konnten Festzelte und Schaufenster mit passenden Objekten geschmückt werden. Das soll auch am nächsten Grenchner Fest 2024 wieder so sein. «Mit dem beständigen, zur Stadt passenden Motto können Grenchen und das Grenchner Fest zunehmend auch von ausserhalb wahrgenommen werden.» Das ist ein nicht zu unterschätzender Anziehungspunkt, gerade für Menschen mit schönen Oldtimern oder Lust auf ein «Zeitbad» in damaliger Musik und Mode. 

Eine publikumsnahe Ausstellung
Diese Epoche ist auch einer der Schwerpunkte des Kultur-Historischen Museums Grenchen. Das Ad-hoc-Ausstellungsteam mit Nadine Hunziker, Stefan Haudenschild und Luzia Meister, das den Ausfall des Museumsleiters Marco Kropf überbrückt, hat eine lebendige Ausstellung gestaltet mit Objekten von L. Meister, ergänzt aus dem Museumsfundus. Sie rundet insofern die Dauerausstellung zur Uhrenindustrie ab. 
Sehr viele Zeitzeugen leben noch und vieles wirkt bis heute nach. Beim Betrachten der «Schätze» werden Erin­nerungen wach, meist gute, seltener schlechte. Doch die Ausstellung möchte diese Zeit nicht einfach in Nostalgie verklären. Kurze textliche Ergänzungen zeigen gesellschaftliche und politische Hintergründe und erlauben zeitkritische Blicke auf die Epoche. Die Ausstellung bietet eine hervorragende Gelegenheit für Generationengespräche zwischen Grosseltern und Grosskindern, die sich beide mit Spass, aber mit völlig unterschiedlichem Blick in der Ausstellung bewegen können. 

Imposantes Wirtschaftswachstum: Würde bringt Bürde
Zwischen 1945 und 1965 herrschten aber nicht nur Friede, eine neue bunte Konsumwelt und neue Unterhaltungsmedien. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte auch bedeutende politische und gesellschaftliche Veränderungen. Das imposante Wirtschaftswachstum führte zwar zu breitem Wohlstand. Es kamen langsam Zentralheizung, fliessendes warmes Wasser, Bad und WC in fast jeden Haushalt, ein Auto wurde für manche Familien zahlbar. Über den stark steigenden Energieverbrauch sorgte man sich kaum. Die zunehmende Würde brachte Bürde. So gab es etwa Probleme mit der Gewässerverschmutzung, später mit dem Kehricht, der auf offenen Müllhalden zum Himmel stank. Anfang der 70er wurden deshalb die ersten Klär- und später Kehrichtverbrennungsanlagen gebaut. Es entwickelte sich langsam ein gewisses Bewusstsein für die Umwelt, gelöst waren die Probleme aber nicht. 
Vertiefende Sonderthemen
Während der Ausstellungsdauer sollen wechselnd einige Themen vertieft werden, etwa Musik, Mode, Architektur, Mobilität, Kino, Kunststoffe, Haushalt und Essen oder Amerika. 
Amerika – immer ein bisschen weiter. In den Nachkriegsjahren blickte man staunend nach Amerika, das mit vielem eine Nasenlänge voraus war, etwa mit Bungalow-Häusern, neuartigen Haushaltsgeräten, Fertigmahlzeiten, gigantischen Autobahnnetzen und seiner «Traumfabrik» in Hollywood, samt unvergessenen Stars aus Musik und Film. Auch aus Deutschland, wo nach dem zerstörerischen Krieg der Nachholbedarf enorm war, kamen Filme und Schlager zu uns, mit vielen auch in der Schweiz verehrten Stars wie etwa Peter Kraus, «Deutschlands Elvis». 
«Grenchnereien»
Die Welt, die Schweiz und Grenchen. Natürlich blickt das Ausstellungsteam auch auf die Uhrenstadt – unter dem ­Titel: «Grenchnereien». Kurzum: Die Ausstellung muss man einfach gesehen haben. Wir sehen uns in drei Wochen!