Ein nicht ganz alltäglicher Zeitgenosse

Ivo von Büren: ein unbeschriebenes Blatt? – Nein, das ist er nicht. Er ist bekannt in Grenchen wie ein bunter Hund, könnte man etwas überspitzt sagen. Das ist nicht negativ. Diese Meinung sollte ihm schmeicheln. Ivo von Büren ist einer, der polarisiert. Er sagt seine Meinung und steht dazu. Viele mögen ihn deswegen, andere nicht. Ivo von Büren ist in erster Linie Garagist, ein erfolgreicher dazu. Im Untergeschoss seiner Garage an der Kirchstrasse stehen einige Oldtimer, die er hegt und pflegt in der Freizeit und sie ab und an bewegt. Unter schützendem Dach stehen ausgediente, aber noch fahrbare Militärfahrzeuge und Abschleppwagen, denen ebenfalls das Prädikat «Oldtimer» anhaftet. Die meisten Autos, die hier parkiert sind, haben eine Geschichte.
Er steht vor mir, wie man ihn kennt während der Arbeit – mit grünem Arbeitskittel. Das Grün widerspiegelt die Markenfarbe von Skoda. 22 Jahre hat er die Marke vertreten. Er war einer der ersten Skoda-Vertreter in der Schweiz. Und heute? Die Garage firmiert unter dem Label «Stop + Go» und vertritt die vier Marken von Amag: VW, Audi, Seat, Skoda. «Zuerst hatte ich überhaupt kein Interesse und habe den Vertreter von Amag wieder nach Hause geschickt.» Der Vertreter blieb hartnäckig und beim zweiten Anlauf hat es funktioniert. Vielleicht, weil dem Grenchner Garagist gewahr wurde, dass er zwischen Solothurn und Biel als Einziger die vier Marken vertritt. Und – war der Entscheid richtig. «Alles richtig gemacht», schmunzelt der Mittfünfziger.
Wenn es nach seinem Vater gegangen wäre, würde Ivo von Büren heute beim Bund arbeiten. Er lernte Betriebsdisponent bei den SBB. Sein Vater arbeitete in der Uhrenindustrie, wie viele damals auch – und kriegte die Härte der Wirtschaftskrise zu spüren. Das wollte er seinem Sohn ersparen und wünschte sich für ihn eine sichere Stelle. Sein Vater starb während seiner Lehrzeit. Trotzdem machte er noch eine Zusatzlehre bei den SBB, obwohl ihm längst ein anderes Berufsbild vorschwebte.
Sein Grossvater führte in Bellach eine Garage. Das gefiel dem angehenden Berufsmann. Was tut man in einem solchen Fall? Man erfüllt sich den Wunsch oder träumt weiter. Ivo von Büren ist kein Träumer, sondern ein Macher. Das hat er in seinem Leben immer wieder bewiesen. Er gründete einen Kleinbetrieb an der Centralstrasse – im «Nebenamt» sozusagen. Hauptberuflich arbeitete er bei der Howeg bis zu deren bitteren Ende. Er, der mit halbem Fuss schon in der Selbstständigkeit war, wurde als Liquidator eingesetzt. Nach Abschluss dieser Aufgabe hielt den damals 21-Jährigen nichts mehr zurück: Er verlegte seine «Teilzeit-Unternehmen» in die ehemalige BFG in City Nord und war fortan Vollblutgaragist.
Ihm gefiel das Unternehmertum so sehr, dass er darüber hinaus noch andere Bereiche abdeckte. Er waren Firmen, die ihre Arbeitskleider zur Wäsche gaben. Zu seiner Kundschaft gehörte auch das «Tropical». Das habe ihm natürlich auch einige spöttische Bemerkungen eingebracht. Sei’s drum. Bis zu vier Mal täglich brachte er die gereinigte Wäsche in den Freizeitklub und nahm gebrauchte zum Reinigen mit. 15 Jahre half von Büren bei der Schneeräumung in der Stadt mit und führte auch einen Abschleppdienst. Zeitgenossen mögen ihn als Hans-Dampf-in-allen-Gassen» betiteln. Er liebt seine Tätigkeit, er liebt die Arbeit an und für sich.
Das Autofahren sowieso. Früher noch viel mehr als heute. Er erzählt von seinen «Dienstfahrten». Über 20 Jahre chauffierte Ivo von Büren den Obernarr am Fasnachtsumzug. Mit einem seiner Oldtimer. Über die nötigen Permits verfügt er. Führerausweis für PW, Lastwagen und Bus. Im Militär war er – natürlich – Fahrer. Wahrscheinlich hat er sich das anders vorgestellt. Seine Erinnerung reduziert sich heute auf Kälte und klamme Finger. Trotzdem umfasst sein privater Wagenpark auch Militärfahrzeuge. Interessant, sage ich. «Nein», erwidert er. Das habe natürlich seinen guten Grund. Ein befreundeter Garagist habe ihm diesen Virus eingepflanzt. «Aber», sagt Ivo von Büren, «in diese «Kisten» steige ich nur bei schönen Wetter!» Er ist der lebendige Beweis dafür, dass man auch etwas lieben kann, dem man vorher nicht sonderlich zugetan war.
Zurück zum Chauffeur von Büren. Er sitzt am Steuer, wenn es darum geht, Partnerschaftsausschuss, dem er selbst angehört, zu den Partnerstädten zu führen. Zum Beispiel in einem VW-Bus der Feuerwehr. Mit Blaulicht und Martinshorn. Er schmunzelt. Was jetzt? Hat er eine Geschichte? Klar! Er erinnert sich an eine Fahrt nach Neckarsulm. In Deutschland herrscht auf den meisten Autobahnabschnitten kein Tempolimit. Ivo von Büren drückte aufs Gaspedal. Verständlich. Nach Neckarsulm sind es 360 Kilometer. Jedenfalls brachte er seine wertvolle Fracht heil hin und zurück. Nur eines fehlte: das Blaulicht auf dem Dach. Das hielt dem Fahrtwind nicht stand, sagt er.
Solche und andere Reminiszenzen dieses Mannes, der immer wieder Spuren hinterlässt, führen uns zum Politiker von Büren. Keiner von Gnaden, sondern einer, dem es den Ärmel ungewollt hineingezogen habe.
Heinz Müller, als Unternehmer und vor allem Politiker auch kein unbeschriebenes Blatt, habe ihn angefragt. Er möge doch auf die Liste der SVP kommen. Gewählt werde er sowieso nicht – also kein Risiko. Er habe weder Wahlkampf betrieben noch irgendwelche Anstrengungen gemacht, die seine Wahl hätte begünstigen können. Natürlich kam es, wie so oft im Leben des Grenchners, wieder einmal anders. Die SVP habe sich zur Bekanntgabe der Wahlresultate im Restaurant Central getroffen. Einer fehlte: Ivo von Büren. Er sei gewählt, rief Heinz Müller ihn aufgeregt an. Und so begann vor gut 20 Jahren seine politische Karriere. Und wurde eingeführt mit einem drei Abende dauernden Polit-Crashkurs durch den damaligen SVP-Präsidenten Marcel Boder. Trotzdem: Als er an der ersten Gemeinderatssitzung ein Geschäft vortragen durfte, gab es gleich einen «Zusammenschiss» des damaligen Vorsitzenden Boris Banga. Gleiches widerfuhr dem Ebenfalls-Novizen Aldo Bigolin. Das sei so üblich beim Stapi, beschwichtigten ihn die Parteifreunde, als der designierte Politiker unvermittelt das Handtuch werfen wollte.
Zwischenzeitlich ist er längst ein alter Polit-Fuchs – der, wen wundert’s – 54 ab und an aneckt. Er kann auch mal laut werden, zynisch oder ganz einfach bestimmt. Er ist ein erfolgreicher Unternehmer und kann es sich leisten, nicht allen immer nur recht zu tun. Und es kann auch mal Wirbel geben.
Nehmen wir einen Landverkauf als Beispiel. 2009 verkaufte er südlich von Grenchen ein Landstück, auf dem 2011 eine Moschee gebaut wurde. Man habe ihm versichert, dass Lagerhallen und Garagen auf diesem Stück Land entstehen würden, sonst hätte er dem Verkauf nie zugestimmt, wurde er im «Grenchner Tagblatt» zitiert. Weniger Staub wirbelte der Kauf des Restaurants Mazzini auf – vor nicht allzu langer Zeit. Der Grund ist ein einfacher. Luigi Tundo, der zwischenzeitlich verstorbene ehemalige Besitzer des «Mazzini», hat Stammgast Ivo von Büren mehrmals gebeten, er möge die Liegenschaft erwerben, damit das Restaurant weiter Bestand habe.
Hat dieser Mann auch noch ein Privatleben? Er arbeite gerne und sei fast nie zu Hause. Die Hobbys sind schnell aufgezählt. So leicht kommt er mir nicht davon. Und sonst? Am Mittwochabend trifft er sich seit vielen Jahren mit ein paar Freunden zum Herrenabend. Voilà! Ab und zu gibt es eine Reise nach irgendwo. Der Mann ist ein Pragmatiker. Oder anders ausgedrückt: Er tut das, was getan werden muss, ohne sich den Kopf über Details zu zerbrechen. Und er sagt und erzählt das, was ihm wichtig erscheint, und nicht das, was vielleicht andere hören bzw. lesen wollen.
Während des Gesprächs kommt ein Grenchner Unternehmer ins Büro. «Du, übrigens, sind wir dann die nächsten Male in der Kantine, das «Helvetia» hat ja im Moment geschlossen». Ivo von Büren sieht mir den «Gwunder» ins Gesicht geschrieben. Er entschlüsselt die Botschaft: «Am Morgen treffen wir uns, ein paar KMUler, immer zum Kaffee in der «Helvti» zum Gedankenaustausch. Unsere Runde ist auch ein Newsportal», schmunzelt er. «Wenn jeder seinen Weg geht, weiss er, was in der Stadt läuft.» Das muss man wissen, als Politiker sowieso. Wie lange will er noch am Gemeinderatstisch sitzen? «Vielleicht ist die jetzige Periode meine letzte.» Vielleicht ziemlich sicher? Er sinniert einen Moment und sagt: «Ich denke, ziemlich sicher.» Ivo von Büren, wie er denkt und lebt. Er ist eben ein nicht ganz alltäglicher Zeitgenosse. Dafür aber ein durchaus sympathischer!