Frühe Sprachförderung im Vorkindergartenalter

Ab 2024 sollen fremdsprachige Kinder vor dem Eintritt in den Kindergarten zumindest Grundkenntnisse der deutschen Sprache haben. Der Kanton führt die frühe Sprachförderung flächendeckend ein, hat das Parlament Anfang November beschlossen. In einigen anderen Kantonen ist dies bereits der Fall. In Grenchen ist das Angebot bekannt – zumindest in der Halbtagesspielgruppe Abraxas von Barbara Banga-Schaad.

Spielgruppenleiterin Barbara Banga: «In den rund vier Stunden, die die Kinder bei uns verbringen, wenden wir verschiedene Techniken an, um die Aufmerksamkeit und die Spannung der Kinder hochzuhalten.» Bild: Joseph Weibel

Barbara Banga hält einen Raben – eine Handpuppe – in der Hand und spricht laut und deutlich, was der Rabe zu den Kindern sagt. Gebannt schauen die Kinder auf das schwarze Tier und lauschen den Worten, während sich der grosse Schnabel auf und ab bewegt. Spielerisch und mit aktiven Bewegungen vermittelt die Spielgruppenleiterin die deutsche Sprache.

«In den rund vier Stunden, die die ­Kinder bei uns verbringen, wenden wir verschiedene Techniken an, um die ­Aufmerksamkeit und die Spannung der Kinder hochzuhalten», erklärt Barbara Banga. Vor sieben Jahren eröffnete die Kleinkinderzieherin und Erziehungsberaterin die halbtägige Spielgruppe Abraxas an der Schützengasse in Grenchen. Vier bis fünf Kinder hatte sie von Anfang an an den vier Vormittagen pro Woche. «Viel mehr sollen es nicht werden, maximal acht bis neun Kinder», setzt sie eine klare Teilnehmergrenze. Die vier Unterrichtsvormittage von 7.45 bis 12 Uhr teilt sie sich mit ihrer Mitarbeiterin Rona Bürgisser. «Sie hat ihre Ausbildung bei mir in der Kita Villa Kunterbunt gemacht, die ich damals geleitet habe.» Die beiden kennen sich und harmonieren bestens.

Für viele grosse finanzielle Belastung

Der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung in Grenchen betrug im Jahr 2022 39,3 Prozent. Der Bedarf an früher Sprachförderung ist mehr als gegeben. Noch bis Ende Jahr können Eltern ihre Kinder auf freiwilliger Basis in die Spielgruppe von Barbara Banga schicken. Sie müssen aber die vollen Unterrichts­gebühren bezahlen. «Für viele Eltern ist das eine grosse finanzielle Belastung. Denn wer sein Kind dreimal wöchentlich für vier Stunden in den Unterricht schickt, zahlt rund 500 Franken im Monat (36 Franken pro Tag). «Trotzdem sind sie bereit, diese Gebühr zu bezahlen, weil sie sich integrieren und ihren Beitrag leisten wollen.» Die Stadt Grenchen hat der Halbtagesspielgruppe Abraxas dieses Jahr – noch vor dem Kantonsratsentscheid vor knapp einem Monat – einen Beitrag von 1500 Franken als Anerkennung für ihre Arbeit zugesprochen.

Chancengleichheit und Entlastung

Nach dem Entscheid im Solothurner Parlament müssen alle Gemeinden in einer Umfrage erheben, welche Kinder Defizite in der deutschen Sprache ­haben, und für diese ein Jahr vor dem Kindergarteneintritt Förderangebote bereitstellen. Damit soll zum einen später im Schulunterricht die Chancengleichheit der Kinder verbessert werden, zum andern sollen auch Lehrerinnen und Lehrer entlastet werden. Diese frühe Sprachförderung wird vornehmlich in Spielgruppen stattfinden. Barbara Banga ist mit ihrer Spielgruppe der Zeit voraus. «Wir sind drei Halbtagesspielgruppen in der Stadt und treten gemeinsam im Gespräch mit den Behörden auf», so Barbara Banga zum weiteren Vorgehen. In Grenchen muss der Gemeinderat über das Vorgehen entscheiden.

Über längere Zeit

Ein Jahr vor dem Kindergarten – reicht das? «Nein», sagt Spielgruppenleiterin Banga. Und sie rechnet vor: «Damit die Sprachförderung greift, muss ein Kind mindestens zweimal die Woche vier Stunden lang und über einen längeren Zeitraum gefördert werden.» Ideal wäre dreimal pro Woche. Auch deshalb sei ihre Spielgruppe nur sechs Wochen im Jahr geschlossen. Längere Pausen seien für die Sprachbildung nicht förderlich. Zu Hause werde die Muttersprache gesprochen. In der Spielgruppe sei das der Fall, wenn zwei gleichsprachige Kinder aufeinandertreffen. «Das lässt sich nie ganz vermeiden», schmunzelt sie. Umso wichtiger sei es, dass die Sprachförderung über einen längeren Zeitraum – Barbara Banga spricht von zwei bis drei Jahren – stattfinde.

Spielerische und spannende Elemente

Kinder lernen eine neue Sprache am besten, wenn möglichst viele spielerische und spannende Elemente in den Unterricht eingebaut werden. «Wir müssen uns vor allem Zeit für jedes einzelne Kind nehmen. Wir betrachten mit ihnen Bilderbücher, erzählen Geschichten und machen viel mit Händen und Füssen. Das Singen oder das Verselernen gehören ebenfalls zum Unterricht. Es kommt immer wieder vor, dass ein Elternteil nach einem Lied oder einem Gedicht fragt, weil er das auch lernen möchte. Das ist natürlich der Idealfall, denn meistens sprechen die fremdsprachigen Eltern kaum Deutsch.» Die Kinder werden nicht automatisch korrigiert, wenn sie ein Wort falsch aussprechen. «Sie dürfen Fehler machen», sagt Barbara Banga. Und sie würden auch lernen, gegenüber den Gspänli in der Spielgruppe stopp zu sagen und dies mit der Hand auszudrücken. «Das dürfen sie auch uns gegenüber.»

Barbara Banga ist froh, dass nun die Gemeinden verpflichtet werden, ein Angebot zur Verfügung zu stellen. Unentgeltlich werde der Unterricht mit früher Sprachförderung für die Eltern eher nicht. Der Unterricht werde hoffentlich entsprechend der finanziellen Leistungsfähigkeit subventioniert.