Für sie ist ein Glas immer halb voll

Kennen wir uns? Keine Frage! Wir kennen uns. Vielleicht durch ihren Mann, den ehemaligen Schuldirektor von Grenchen? Oder war es an einem Anlass von «Granges Mélanges»? Nein. Das waren nicht die ersten Fragen an eine überaus beeindruckende Frau, die ich im «La Trattoria am Girardplatz» getroffen habe. Vielmehr habe ich mir Minuten vor dem Gespräch diese Gedanken gemacht, woher ich Elisabeth Egli kenne. 2001, vor 22 Jahren, war sie «Nachzug», folgte ihrem Mann Erwin nach Grenchen, der bereits seit einem Jahr das Amt des Schuldirektors innehatte. Diese Zeit ist längst passé. Beide sind mittlerweile pensioniert. Die gebürtigen Schaffhauser wohnen immer noch in Grenchen und sind glücklich hier. Ganz still um sie ist es aber nicht. Sie geniessen ihren dritten Lebensabschnitt, leisten immer noch Freiwilligenarbeit – so wie sie das schon früher getan haben. Elisabeth Egli, um die es in dieser Reportage geht, ist seit genau 20 Jahren Präsidentin vom Verein Granges Mélanges. Und genauso alt ist der Verein in diesem Jahr. Granges Mélanges muss man nicht näher vorstellen. Der Verein hat sich einen guten Namen erarbeitet und seine Aktivitäten rund um die Integration von fremdsprachigen Menschen aus anderen Kulturen sind auch überregional bekannt. Aber wer steckt hinter dieser Person?
Das Wohl der anderenist ihr wichtig
Elisabeth Egli schmunzelt, wirkt entspannt, obwohl sie sich wenige Minuten vor unserem Zusammentreffen den Knöchel verstaucht hat. Ein ärgerlicher Misstritt. Die Bänder seien wohl etwas locker, mutmasst sie. Doch zurück zur Frage. Sie stammt aus Schaffhausen. Fast. Die ersten fünf Jahre ihres Lebens verbrachte sie mit ihren Eltern im Prättigau, ehe sie dann ihre Jugend- und Ausbildungszeit in Schaffhausen verbrachte. Es sollte nicht beim einzigen «Ausflug» aus der Heimat bleiben, wie sich später herausstellt.
Sie machte nach dem Gymnasium die Ausbildung zur Kindergärtnerin. In der «Kanti» lernte sie ihren späteren Ehemann Erwin kennen. Sie schmunzelt wie zur Bestätigung des Gedankens, der bei dieser Aussage durchaus aufkommen könnte: «Ja, wir kennen uns schon lange.» Gleich im Anschluss an sein Studium – zwischenzeitlich hatten sie geheiratet – begann das Abenteuer «Arbeiten und Leben in anderen Kulturen» der noch zweiköpfigen Familie Egli. Ein Entwicklungsprojekt führte das junge Paar nach Nordjemen im Mittleren Osten. Vier Jahre lang lebten sie in der Hauptstadt Sanaa; die letzten sechs Monate war bereits auch ihre kleine Tochter Simone mit dabei. Nach dem Abschluss des Projekts kehrte die Familie zurück in ihre Heimat nach Schaffhausen, wo auch Sohn Philipp geboren wurde. Fünf Jahre später folgte Erwin Egli wieder einem Ruf für ein Entwicklungsprojekt – dieses Mal ging es nach Bandung, Indonesien. Die Familie lebte für vier weitere Jahre in Südostasien.
Klassische Rollenteilung
Was machte Elisabeth in diesen Zeiten, wenn ihr Mann im Ausland beschäftigt war oder auch während der fünf Jahre in Schaffhausen? Die Antwort erstaunt: «Wir hatten eine klassische Rollenteilung. Ich kümmerte mich um Haus und Familie.» So erstaunlich ist es aber nicht. Vor allem in den acht Jahren im Ausland verhinderte ein Passus im Arbeitsvertrag ihres Mannes, dass sie eine bezahlte Arbeit hätte annehmen können. Sie war – so stand es im Kontrakt – «Begleitperson». Sie durfte aber Freiwilligenarbeit leisten. So unterrichtete sie an einer Musikschule das Flötenspiel, arbeitete in einer britischen Mutter-und-Kind-Klinik oder engagierte sich im Elternrat der Internationalen Schule in Bandung. Dank ihrer Sprachbegabung erwarb sie während der Auslandjahre verschiedene Sprachdiplome, welche sie später in eine neue Berufung führten. Und trotzdem war sie nicht einfach die Frau des Mannes. Wenn sie an Einladungen gemeinsam erschienen, sagte man ihm: «Ah, Sie sind Elisabeths Mann!» Eine sprachliche Nuance, die die «Begleitperson» in ein anderes Licht rückt.
Elisabeth Egli hält einen Moment inne, als wolle sie noch einmal diese Zeit in Nordjemen und Indonesien reflektieren mit einem einfachen und klaren Fazit: «Es war eine fantastische und lehrreiche Zeit.» Und mit dem Abschluss des Projekts kehrte die Familie erneut zurück in die Schweiz. Vom Land mit Tausenden von Vulkaninseln ins Gäu nach Neuendorf.
Von Indonesien ins Gäu – undnach Grenchen
Kein Kulturschock? Schock nicht, aber eine äusserst intensive Zeit des Einlebens. Elisabeth Egli sagte es bereits: Jeder neue Lebensabschnitt ist spannend. «Wir waren Umzüge gewohnt und machten immer aus der neuen Situation das Beste. Wir richten uns am Positiven aus, ohne der Vergangenheit nachzutrauern. Für mich ist das Glas immer halb voll.» Für Elisabeth Egli brach die Zeit an, in der sie sich beruflich neu orientieren konnte – in der Erwachsenenbildung, worauf sie bereits im letzten Auslandsjahr hingearbeitet hatte. Sie unterrichtete Englisch an der Volkshochschule Olten, später am Erwachsenenbildungszentrum (EBZ) und an der Kaufmännischen Berufsschule in Olten.
Und dann, wenn es vielleicht scheint, jetzt wäre alles in Butter, fährt der Zügelwagen erneut auf und führt die Familie vom untersten in den obersten Kantonsteil nach Grenchen. Erwin Egli wurde 2000 als neuer Schuldirektor und Nachfolger von Teddy Buser gewählt. Und so lebten sie fortan in einer Stadt ohne die historischen Mauern, wie sie das von Schaffhausen kannten, oder die flachen Ebenen in der Kornkammer Gäu. Die Antwort auf die Frage, wie sie Grenchen charakterisieren würde, liegt auf der Hand. Sie wird positiv sein. «Man kann hier Dinge anstossen.» Grenchen hat kein historisches Zentrum, ist eine Kleinstadt, deren Entwicklung vom Gründergeist im 19. Jahrhundert, dem Mut zu Innovationen in wirtschaftlich harten Zeiten und Generationen von ausländischen Arbeitskräften geprägt wurde.
2003 – die Geburt vonGranges Mélanges
Mit dieser Einstellung ist sie 2001 hierher gezogen und durch ihre Vorgeschichte «vorbelastet», hat sie sich sogleich dafür interessiert, wie eine Stadt mit einem grossen Anteil von Mitbewohnern mit Migrationshintergrund mit dem Thema interkulturelles Zusammenleben umgeht. Sie lernte Anna Messerli, Leiterin im Amt für Kultur, kennen, die Teil einer Gruppe war, die sich dieses Themas mit verschiedenen Veranstaltungen im damaligen «Löwen» annahm. Elisabeth Egli war interessiert, offensichtlich interessiert, was Anna Messerli zur Frage bewog, ob sie Präsidentin eines neu zu gründenden Vereins werden wolle. Klar wollte sie. Der Verein Granges Mélanges wurde geboren. Das war 2003. Und so sind wir am eigentlichen Ursprung für dieses Porträt angelangt. Das Wirken dieser Vereinigung hat Früchte gezeitigt, nicht nur in den Integrationsbemühungen, sondern auch in der Aussensicht. 2008 wurde dem Verein der Sozialpreis des Kantons Solothurn verliehen; letztes Jahr erhielt Granges Mélanges den Anerkennungspreis der Stadt Grenchen. Der Verein ist personell ebenso gewachsen wie seine Aktivitäten. Hinter ihm stehen Männer und Frauen aus allen Schichten und Institutionen. Zum Jubiläum in diesem Jahr haben sich die Verantwortlichen einiges ausgedacht.
Stadt wird sich stark entwickeln
Nein. Es macht nicht den Anschein, dass Elisabeth Egli müde geworden wäre. Auch wenn sie gemeinsam mit ihrem Mann den dritten Lebensabschnitt geniesst; Freundschaften im In- und Ausland intensiver pflegen und auch mal länger auf Reisen gehen. Diesen Frühling zum Beispiel sei Kopenhagen angesagt. Städtereisen sind generell ein Steckenpferd von ihnen. Auf der Wunschliste stehen auch Besuche zu Freunden in Indonesien, den USA und in Ruanda. Mit besonderem Grund. In diesem ostafrikanischen Land wollen sie eine ausgewanderte Grenchner Familie besuchen. Und nicht ganz nebenbei sind sie stolze Grosseltern von vier Enkeln. Tochter und Sohn haben je zwei Buben. Und auch wenn sie des «Herumvoyagierens» noch nicht müde sind, kommen sie immer wieder gerne heim nach Grenchen.
Elisabeth Egli sagt der Stadt eine weiterhin interessante Entwicklung voraus. «Und die», meint sie, «will ich miterleben.»