Grenchen wächst und wächst…
Viel mehr Einwohner gleich viel mehr Steuereinnahmen? Das wäre nichts als logisch. Grenchen wuchs bevölkerungsmässig stark in den letzten zehn Jahren, von rund 16000 auf etwas über 18000 Einwohnerinnen und Einwohner. Diese Entwicklung ist grundsätzlich erfreulich. Grenchen hat damit seine Position als zweitgrösste Stadt im Kanton gefestigt.

Stellen wir eine Behauptung auf: Grenchen hat zwar 2000 Einwohner mehr; auf der Steuereinnahmenseite wirkt sich das nicht gross aus. Stimmt das, Herr Baumgartner? «Ein Bevölkerungswachstum bringt früher oder später immer auch Mehrausgaben, z.B. braucht es mehr Schulraum und mehr Personal. So haben wir in den letzten zehn Jahren sechs Kindergärten eröffnet und haben nun 17 Kindergärten», stellt Grenchens Finanzverwalter David Baumgartner nüchtern fest.
Vom Tief- zum Hochgang
Die Stadt Grenchen zählte schon einmal über 20000 Einwohner. Da muss man weit zurückblättern, genau genommen ins Jahr 1969. Die Uhrenindustrie stand noch in der Hochblüte, aber nur kurze Zeit später kam es zu einer grossen Branchenkrise, und die Bevölkerungszahl sank auf 16065 Personen (2006). Die Zeichen stehen gut, dass das vor zehn Jahren wieder eingesetzte Wachstum anhält. Und warum? «Zum einen war und ist die Bauentwicklung sehr intensiv», sagt David Baumgartner. Die Sorge, dass «auf Halde» gebaut werde, war bisher unbegründet. Dank dem Zuzug von Industriebetrieben im Hightech-, Mikro- und Medizinalbereich gebe es in Grenchen immer mehr Arbeitsplätze.
Weil vor allem auch Familien mit Kindern nach Grenchen gezogen sind, braucht es mehr Schulraum und Investitionen in die allgemeine Infrastruktur. «Grenchen hat vier Schulkreise. Der Erweiterungsprozess dieser Schulanlagen ist ständig im Gange», so Baumgartner. Gegenwärtig würden entsprechende Planungen für das Schulhaus Kastels gemacht. Aber auch das Strassennetz muss laufend erneuert werden.
Steuerfuss soll noch tiefer sein
Das alles braucht Geld. Also: Mehr Einwohner gleich mehr Steuereinnahmen? David Baumgartner schmunzelt. «Ja, das Steuersubstrat ist zwar gestiegen, aber nicht so stark wie das Einwohnerwachstum. Der Gemeinderat hat aber seit 2018 mit dem Kompass-Strategiepapier einen Steuersenkungsprozess eingeleitet.» Warum senkt man Steuern, wenn mehr Steuersubstrat generiert werden kann? Die politische Behörde verfolge im Rahmen der Strategie «Kompass» eine Steuerharmonisierung auf der Stufe des kantonalen Durchschnitts. Dieser beträgt derzeit rund 117 Prozent. Und Grenchen? «Für das Steuerjahr 2022 wurde der Steuerfuss auf 120 Prozent festgesetzt.» Das sind vier Prozentpunkte weniger als noch vor vier Jahren. Also braucht es noch drei Jahre, bis der kantonale Durchschnitt erreicht ist. So einfach ist es aber nicht, «weil der Gemeinderat die Situation jährlich neu beurteilt». Grenchen hat ein unterdurchschnittliches Steuersubstrat, d.h. pro Kopf gehen in Grenchen weniger Steuern ein als der Durchschnitt der Einwohnergemeinden im Kanton Solothurn. Es ist deshalb wichtig, gute Steuerzahler anzuziehen, um die Kosten auch für jene Einwohner tragen zu können, die nur wenig oder gar keine Steuern zahlen können. Grenchen braucht eine gute soziale Mischung, um die finanzielle Handlungsfähigkeit zu erhalten.
Gibt es gute Steuerzahler?
Es ist eine Crux. Zum einen sollen die Finanzen möglichst ausgeglichen oder besser abschneiden, damit die anstehenden Investitionen finanziert werden können. Zum anderen hängt die Attraktivität eines Ortes nicht nur vom infrastrukturellen Angebot ab, sondern nicht unwesentlich von der Steuerattraktivität. Nächste Behauptung: In Grenchen hat es zu wenig gute Steuerzahler. Grenchens Finanzverwalter kann und will sich dazu natürlich nicht äussern. Nur so viel: «Die Mobilität erlaubt es heute, seinen Wohnsitz trotz Arbeitsort Grenchen in näherer oder weiterer Umgebung zu haben.» In der Hochblüte der Uhrenindustrie wohnten die Firmenchefs in unmittelbarer Umgebung ihres Betriebs. Und sie waren natürlich auch gute Steuerzahler. «Tiefere Steuern sind aber nur ein Mosaikstein für die Attraktivität einer Stadt. In Grenchen gibt es ein wunderschönes Naherholungsgebiet auf dem Grenchenberg und in der Witi, vergleichsweise günstige Wohnmöglichkeiten mit atemberaubendem Alpenblick, ein attraktives Sportangebot und vieles mehr. Grenchen bietet ein sehr gutes Gesamtpaket.»
Unternehmenssteuereinnahmen sinken
Und die vielen angesiedelten Firmen, die sollten doch zu entsprechend höheren Steuereinnahmen führen? Im Spitzenjahr 2013 seien über 20 Millionen an Unternehmenssteuern in die Stadtkasse geflossen. Noch vor der Unternehmenssteuerreform seien es im Schnitt 10 bis 13 Millionen Franken jährlich gewesen. Im Budget 2023 wird mit 4,5 bis 5 Millionen gerade noch ein Drittel dieser Summe erreicht. «Die Steuerrevision, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat, hat zu einem Einbruch bei den Gewinnsteuern geführt, welche der Kanton während acht Jahren teilweise mitfinanziert.»
Auch wenn es bei der positiven Bevölkerungsentwicklung «Wenn» und «Aber» gibt, so ist das insgesamt erfreulich und zeigt auf, dass Grenchen vermehrt als qualitativer Wohnstandort positiv wahrgenommen wird. Die Stadt hat vor allem in den letzten 20 Jahren nur gewonnen. 2007 erkannte die Potenzialstudie der Credit Suisse die Region als eine der zukunftsträchtigsten der Schweiz.