Mit offenen Augen die Schätze der Natur entdecken
Sie will nicht gleich die Welt retten, aber die Natur und alles, was sie uns zu bieten hat, beschäftigt die Grenchnerin Jette Endmann seit ihrer Kindheit – und seit zwei Jahren noch viel mehr. Ihre Themen sind Biodiversität im Siedlungsraum, Gartengestaltung mit organischen Materialien und Heilkräuterkunde. Die gelernte diplomierte Pflegefachfrau hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht.
Jette Endmann, die in einem 100-Seelen-Dorf in der ehemaligen DDR, in der Uckermark, aufgewachsen und in Schwedt/Oder geboren wurde, wurde schon in der Schule geprägt. «Wir hatten wöchentlich Unterricht im Schulgarten. Ich lernte verschiedene Pflanzenarten, essbare Blüten und Kräuter kennen und auch, wie gut diese Wunder der Natur für Körper und Geist sind.» Dies erzählt die heute 40-Jährige bei einem Kaffee im Airport-Restaurant in Grenchen. Seit 13 Jahren lebt sie in Grenchen, 11 davon mit ihrem Mann. Sie habe diese Stadt vom ersten Tag an geliebt. «Sie hat perfekte Anbindungen des ÖV und Individualverkehrs und bietet zudem Natur pur.»
Naturparadies auf engem Raum
In ihrer Wohnung bzw. auf dem Balkon findet ihre Naturwelt auch statt. Ein Balkon oder eine Terrasse reichen aus, um auf engem Raum ein Naturparadies zu schaffen, sagt sie und zeigt ein Bild, wie sie auf dem Balkon ein Insektenhotel und einen Lebensraum für Klein- und Kleinstwesen aus Sandstein und Totholz realisiert hat. Daneben stehen Pflanzen und Kräuter, die Nektar und Pollen für Bienen bieten. In Grenchen und Rüti bei Büren bewirtschaftet sie je ein Grundstück, auf dem sie Gemüse-, Obst- und Kräuterkulturen sowie Wildblumenwiesen anbaut. Das ist ihr persönlicher Beitrag zur Biodiversität im Siedlungsraum. Ein Mosaik aus Gärten, Schuttflächen, Böschungen entlang von Strassen und Schienen, Kieswegen, offenen Wasserflächen sowie begrünten Dächern und Fassaden bietet zahlreiche Lebensräume für verschiedene Arten. Das ist Biodiversität pur.
Mehr als nur ein Modewort
Für Jette Endmann ist der Begriff «Biodiversität» nicht einfach ein abgegriffenes Modewort. 1200 Kilometer von Grenchen entfernt liegt das kleine Dorf Kummerow im Osten von Deutschland. Sie lernte die Natur nicht nur im Schulunterricht, sondern auch bei den Arbeiten auf den verschiedenen Bauernhöfen im Ort kennen. «Hier bauten wir alles an, auch Tabak. Ich half beim Säen, Bewirtschaften und Ernten mit.» Das hat die Frau in ihrer frühesten Jugend geprägt. Als spätere diplomierte Pflegefachfrau spielte die Naturmedizin für sie immer eine wichtige Rolle. Sie arbeitete in der Onkologie und Palliativmedizin. Später führte sie mit einem Geschäftspartner eine Privat-Spitex, die sie nach Thun, Bern, Solothurn und schliesslich nach Grenchen brachte.
«Es war ebenfalls eine sehr interessante, spannende und auch intensive Zeit», blickt sie zurück. Die Natur und ihre Geschenke waren ihr dabei immer treue Begleiter. Im Wald lässt sie sich fast täglich von neuen Dingen überraschen. «Es ist unglaublich, was man mit offenen Augen alles sieht und findet.» Sie spürte immer stärker den Drang, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen, und machte sich in den letzten zwei Jahren teilweise selbstständig. Sie ist seit langem im Vorstand des Solothurner Vereins Netzwerk Naturgarten und immer mit von der Partie, wenn es um die Natur geht. Sie öffnete ihre Gärten am Tag der offenen Gärten, beteiligte sich am Clean-up Day und am Tag des Wassers. Sie unterrichtet bei der Organisation Pusch (Praktischer Umweltschutz) und ist Kundenmanagerin bei «Mein Huhn mein Ei», einer Organisation für biologische Landwirtschaft und faire Tierhaltung. Aus Wildkräutern stellt sie Tee, Öle, Tinkturen, Peelings, Kräuter- und Blütensalze her.
Im September ist wieder Anbauzeit
Sie möchte jedoch nicht nur ihre eigenen Gärten hegen und pflegen, sondern bietet auch Hilfe beim Anbau von Wildblumen und -kräutern im eigenen Garten, auf der Terrasse oder dem Balkon. Sie zählt einige Heilkräuter auf, die uns auch im Wald oder auf Wiesen begegnen, zum Beispiel Johanneskraut, Frauenmantel, Weissdorn, Baldrian, Giersch oder Spitzwegerich. Sie freut sich schon auf den Frühherbst, wenn sie ihre beiden Gartengrundstücke wieder neu anbauen kann. «Im September ist die beste Zeit», schwärmt Jette Endmann. Gibt es noch etwas anderes als die Natur in ihrem Leben? Sie schmunzelt und antwortet: «Ich reite gerne und habe vor einiger Zeit den Schiesssport wieder für mich entdeckt und übe regelmässig mit einer Sportpistole.» In einigen Tagen wird sie mit ihrem Mann in den Urlaub fahren, ins 1200 Kilometer entfernte Kleinod im Osten Deutschlands, da wo sie aufgewachsen ist.
Wenn die gute Fee kurz bei ihr vorbeischauen würde, wüsste sie, was ihr grösster Wunsch wäre. «Dass Kinder in der Schule wieder vermehrt für die Natur sensibilisiert werden, so wie ich das in meiner eigenen Schulzeit erleben durfte.» Gute Ansätze dafür gibt es zumindest schon. So sponsert die Kenova (die frühere Kebag) beispielsweise den praktischen Umweltschutz im Unterricht der Kindergartenkinder bis in die Oberstufe. Ihre Tätigkeit, ihre Schaffenskraft verdankt sie auch ihrer Familie, ihrem Mann, Freunden, Partnern und Sponsoren. «Sonst wäre all das gar nicht möglich», sagt sie.