Patenschaft für glückliche Hühner

Hühner legen im Schnitt etwa 14 Monate lang täglich ein Ei, danach folgt eine natürliche Legepause, und die Legeleistung nimmt merklich ab. In der industriellen Haltung bedeutet dies in der Regel das Ende: Die Tiere werden aussortiert und geschlachtet. Es geht auch anders, wie unsere Reportage zeigt.

Moritz Oberli und Marianne Oberli. Sie ist Initiantin des Projekts.  Bilder: Lisa Bertelle

Moritz Oberli und Marianne Oberli. Sie ist Initiantin des Projekts. Bilder: Lisa Bertelle

Die Hühner geniessen den Auslauf auf der grosszügigen Rasenfläche.

Die Hühner geniessen den Auslauf auf der grosszügigen Rasenfläche.

Marianne Oberli wollte diesen Kreislauf durchbrechen. Sie hat das Projekt «Mein Huhn – mein Ei» ins Leben gerufen – Eine Hühnerpension, in der Legehennen ihren Lebensabend verbringen dürfen.

Getragen wird das Projekt von Tierliebe, Nachhaltigkeit und dem Wunsch nach Transparenz in der Lebensmittelproduktion. Auslöser für ihr Engagement waren persönliche Erlebnisse. Auf dem Weg zur Arbeit sah sie immer wieder Tiertransporte auf dem Weg zum Schlachthof, was sie tief berührt hat. Zusammen mit ihrem Mann Moritz Oberli nahm sie erste Hühner im Garten auf. Daraus entstand die Idee zu «Mein Huhn – mein Ei». Sie war überzeugt, dass es Menschen gibt, denen das Wohlergehen von Hühnern ebenso am Herzen liegt wie ihr.

Viel Platz und täglich Freilauf

Aktuell leben in den mobilen Ställen bei Arch (Wagen 1, 2 und 4) und Pieterlen (Wagen 3 und 6) jeweils bis zu 350 Hühner. Das sind deutlich weniger als in der Bio-Mindestvorgabe. Die Tiere haben viel Platz, täglichen Freilauf und profitieren von regelmässig wechselnden Weideflächen. Diese artgerechte Haltung wirkt sich nicht nur positiv auf das Verhalten und die Gesundheit der Tiere aus, sondern verlängert auch ihre Legeleistung: Selbst im «Ruhestand» legen die Hennen im Schnitt noch rund 90 Eier pro Tag und so entstehen pro Monat rund 700 Eier allein aus den älteren Tieren. Die Eier werden an die Paten nach Hause geliefert, die mit ihren Beiträgen die Pension finanzieren. Übrig gebliebene Eier gehen an die Restessbar in Grenchen oder an die Caritas.

Finanzierung durch Patenschaften

Das Projekt finanziert sich vollständig durch Patenschaften. Wer Pate eines Huhns sein möchte, kann dies entweder mit oder ohne Eier-Abo tun. Ab 32 Franken erhalten Paten alle zwei Wochen sechs Eier oder zehn Eier für 35 Franken nach Hause geliefert. Wer keine Eier beziehen möchte, kann eine reine Gönnerschaft für 228 Franken für ein Jahr oder für 456 Franken für zwei Jahre übernehmen. Die Patenschaft dauert zwei Jahre, danach darf das Huhn seine «Pension» geniessen. Jedes Tier wird professionell fotografiert, mit einem Fussring gekennzeichnet wie auch nummeriert und anschliessend in einem der mobilen Hühnerwagen untergebracht. Bei Besuchstagen, wie am kommenden 9. September 2025 in Arch, können Patinnen und Paten ihre Hühner streicheln, fotografieren oder einfach beobachten. Etwa ein Drittel der Patinnen und Paten geben ihren Hühnern Namen. Der beliebteste Hühnername lautet Henriette.

Die Hühnerwagen stehen auf landwirtschaftlichem Boden in Arch und Pieterlen. Die Investitionen sind hoch: Ein grosser Wagen kostet rund 95 000 Euro, ein kleinerer etwa 82 000 Euro. Die Ausstattung der Wägen ist sehr durchdacht und auf das Wohl der Tiere ausgerichtet. Alle zwei Stunden gibt ein rotierender Tank frisches Futter aus, das verringert den Futterstress unter den Hühnern. Das Wasser bleibt zudem dank der Körperwärme der Tiere auch im Winter frostfrei. Abends lockt jeweils ein Lichtsignal die Hühner in den Wagen. Sobald es draussen dunkel ist und alle Tiere im Inneren sind, schliessen sich die Türen automatisch und öffnen sich pünktlich bei Sonnenaufgang wieder.

Bauern übernehmen die tägliche Pflege

Für Moritz und Marianne Oberli steht nicht der Profit im Vordergrund: «Der Kommerz soll nicht im Zentrum stehen, es soll persönlich und nah bleiben.» Bauernfamilien stellen die Flächen zur Verfügung und übernehmen die tägliche Pflege. Die Preise sind so kalkuliert, dass die Landwirte fair entlöhnt werden. Sie erhalten rund doppelt so viel wie bei konventioneller Eierproduktion. Auch das Bio-Futter stammt aus der Region. «Es ist anfangs nicht leicht gewesen, Bauern zu finden, die das Projekt unterstützen», erläutert Moritz Oberli. Doch in Arch und Pieterlen wurden sie fündig. Die Zusammenarbeit mit den Bauern schätzt das Ehepaar sehr, besonders das Mitdenken, das gegenseitige Vertrauen und die Eigeninitiative. Innerhalb von zwei Wochen nach Initiation des Projekts im November 2020 waren bereits 200 Hühner «ausverkauft», das heisst: Sie hatten einen Paten gefunden. Die Patinnen und Paten kommen aus den Regionen rund um Biel, Lyss, Grenchen und Solothurn. Moritz und Marianne Oberli konnten mit ihrem Konzept bis heute bereits über 800 Patinnen und Paten gewinnen. Darunter sind auch Menschen, die sich sonst vegan ernähren, aber den ethischen Ansatz des Projekts unterstützen. «Viele unserer Kunden sind von Anfang an dabei, seit rund fünf Jahren», erzählt Moritz Oberli stolz. Für den Schutz der Tiere sorgen spezielle Gitter, die Habichte abhalten. Gegen Füchse hilft die tägliche Kontrolle rund um das Gelände. In Pieterlen leben zudem Schafe und Alpakas mit den Hühnern und dienen als tierische Wächter. Auch einige Hähne dürfen bleiben, obwohl sie keine Eier legen. «Sie sorgen für etwas mehr Ruhe in der Gruppe», erklärt Moritz Oberli. In Pieterlen gibt es sogar eine eigene Pflegestation für kranke Hühner. Diese Idee kam von der Bäuerin, die in Pieterlen mit «Mein Huhn – mein Ei» zusammenarbeitet. Dort dürfen sich geschwächte und kranke Tiere erholen.

Jedes Huhn hat seinen eigenen Charakter

«Jedes Huhn hat einen eigenen Charakter und ein anderes Aussehen», erklärt Jette Endmann, die das Kundenmanagement von «Mein Huhn – mein Ei» betreut. Jette Endmann ist als Mitarbeiterin Teil des Teams und bringt ihre Begeisterung für Hühner und ihr Organisationstalent ins Projekt ein. Für sie sei der Umgang mit den Hühnern eine Art Therapie. Sie könne mit ihnen sprechen, das sei ihr idealer Ausgleich zum Alltag. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, empfindet sie den Kontakt zu den Hühnern als perfekte Work-Life-Balance.

Der schönste Moment für Moritz Oberli ist, wenn eine neue Gruppe von Hühnern in Pension geht. «Denn wir wissen: Diese Tiere wären sonst auf dem Schlachthof gelandet. Und nun bekommen sie ein zweites Leben. Das ist jedes Mal sehr berührend.»

Für Marianne und Moritz Oberli steht das Wohl der Tiere an oberster Stelle. «Natürlich könnten wir noch wachsen», sagt Moritz Oberli. «Aber wir möchten es persönlich und überschaubar halten.» Momentan sind noch rund 150 Hühner patenfrei. Wer also alle zwei Wochen frische Eier beziehen, einem Huhn ein würdevolles Leben schenken und Teil dieser besonderen Idee werden möchte, kann sich gerne bei «Mein Huhn – mein Ei» melden. Mein Huhn – mein Ei zeigt, dass ein liebevoller Umgang mit Nutztieren möglich ist – lokal, transparent und mit viel Herz.

www.meinhuhn-meinei.ch