«Wer Respekt verlangt, muss auch Respekt zeigen»
Er war noch ein richtiger Patron. Ein Unternehmer, der sich seiner Mitarbeitenden annahm und ihre Sorgen mittrug, wenn es sein musste. So wird Heini Vollenweider auch immer wieder umschrieben. Dieses Jahr wird er 90 Jahre alt. Er ist noch in erstaunlicher physischer und psychischer Verfassung und wirkt nach einem knapp dreistündigen Gespräch nicht müde.
Auf dem Tisch liegen zahlreiche Dokumente. Kein Zufall. Heini Vollenweider dokumentiert gerne. Früher waren es mehr Papiere von unternehmerischen Schritten, die er sorgsam zusammentrug und in Ordnern fein säuberlich verstaute. Heute sind eher Zeitdokumente von Familienfeiern. Er überlässt selbst beim Fernsehen nichts dem Zufall und markiert vorgängig Programme, die er unbedingt anschauen will. Der bekannte Grenchner Unternehmer wollte eigentlich Pfarrer werden. Das sei ihm als einziger Sohn verwehrt worden. Seine soziale Ader, seine gute Art, die er heute unvermindert ausstrahlt, hat er im Familienbetrieb eingesetzt und war so bis zu seinem offiziellen Austritt aus der Firma ein geschätzter Firmenchef.
«Ich rede ihr nicht ins Geschäft»
Herr Vollenweider, wann haben Sie die Firma nun genau verlassen. Er schmunzelt in seiner unverkennbaren Art und zieht leicht den Mundwinkel nach hinten: «Gestern», sagt er. Am Tisch sitzt auch seine jüngste Tochter Barbara. Sie führt die Vollenweider Immobilien AG, «und werde von meinem Vater unterstützt», ergänzt sie. Er winkt ab. «Nein, nein. Ich rede ihr nicht ins Geschäft. Aber ich mag es, mit ihr über die aktuellen Dossiers zu sprechen». Wie würden Sie sich selbst umschreiben? «Ich bin ein Kämpfer und will gewinnen. Ich kann aber auch verlieren, mich in ein Team einordnen und immer wieder über mich selber lachen». Er sei so gut durchs Leben gekommen.
Dem Zeitgeist immer gefolgt
Ganz so einfach ist es nicht, das überaus interessante Leben dieses Mannes zu dokumentieren. Er schweift immer mal wieder vom Thema ab, weil ihm gerade eine interessante Episode oder lustige Anekdote in den Sinn kommt. Beginnen wir also von vorne. Er besuchte nach der obligatorischen Schulzeit die Handelsschule in Neuenburg, arbeitete auf einer Bank im Volontariat um einen Einblick in die Finanzwelt zu bekommen, während den verlängerten Sommerferien war er in der Lehrwerkstatt sowie der Lastwagenmontag bei Saurer Arbon und später war er in der Ölimportbranche tätig, ehe es ihn zu einem Turngeräteproduzent verschlug. Zuletzt habe er in England noch Englisch verbessert und in Rekordzeit das Dolmetscherdiplom für Deutsch, Französisch und Englisch erreicht. Nach dem Eintritt in den elterlichen Betrieb besuchte er immer wieder Weiterbildungskurse:Zum Beispiel ein dreitägiger Kurs an der ETH für schnelles Lesen. Ihn interessierte aber auch wie man gegenüber seinen Geschäftspartnern geschickt handelt. Sein Drang, der Zeit und dem Zeitgeist zu folgen, ist bei ihm unvermindert vorhanden. Er arbeitet auf dem Computer, nutzt das Internet und schreibt Mails. Sein Handy habe er immer dabei. «Es ist aber kein iPhone», schmunzelt er.
Er zollt seinen Mitmenschen Respekt
Mit 24 Jahren heiratete er seine Studienkollegin Yvonne, die dem Kanton Zug entstammte. Dem glücklichen Paar wurden vier Kinder geschenkt: Heiner, Yvonne, Brigitte und Barbara. Zwischenzeitlich sind Heini und Yvonne achtfache Grosseltern und seit kurzer Zeit haben sie auch einen Urenkel. Letztes Jahr feierten er und seine Frau die Eiserne Hochzeit (65 Jahre). «Halt», sagt er. «Wir haben die Eiserne Hochzeit auf Blüemli-Hochzeit umgetauft. Eisen ist für mich Synonym für Rost. Und wir sind nicht verrostet», sagt er schmunzelnd. Er spricht von «seiner Frau Gemahlin». Er zollt seinen Mitmenschen Respekt. Das war nie anders. Gelernt habe er das schon in Boudry im Institut. «Wir wurden auch mit den Benimm-Regeln vertraut gemacht «Wer Respekt verlangt, muss auch Respekt zeigen.»
Verwurzelt mit Grenchen
Zeit seines Lebens verbrachte Heini Vollenweider in Grenchen. Was bedeutet Ihnen Ihre Heimatstadt? «Immer wenn ich von einer Reise zurück nach Grenchen gekommen bin, war das für mich ‹nach Hause gehen›». Er sei stolz auf seine Stadt, und das sage er Jedem, der es wissen wolle. Er zeigt auf die Witi, zum Berg und in die Stadt. «Was ist hier nicht gut?», fragt er den Gast.
Wie halten Sie sich derart fit? Er überlegt kurz und sagt: «Bis vor einigen Jahren absolvierte ich auf dem Hometrainer täglich einige Kilometer, marschierte mit meiner Frau vier Kilometer am Tag und im Sommer schwamm ich einen Kilometer.» Dann vor sechs Jahren habe er diese Leistung etwas zurückgeschraubt. Gibt es Gebresten, die ihn plagen? «Man nimmt halt die Medikamente, die man nehmen muss». Und wieder schmunzelt dieser Mann, dem man eigentlich stundenlang zuhören könnte.
Gegenseitige Achtung
Wie ist das jetzt genau mit dem Arbeiten im Geschäft? Er blättert in der Broschüre «100 Jahre Vollenweider – eine lange Zeit». «Es war 1990, als wir die Mineralölbranche mit dem Verkauf an Shell verlassen und nur noch die Vollenweider Immobilien AG weiterführen.» Nach einer Babypause sei Tochter Barbara dann 1991 als Geschäftsführerin eingestiegen. «Sie ist die Chefin», sagt er bestimmt. Er unterstütze sie gerne, wenn sie das wünsche. «Unsere geschäftliche Beziehung ist von gegenseitiger Achtung bestimmt». Ehrenhalber sitzen Heini & Yvonne Vollenweider noch im Verwaltungsrat, welcher durch ihre vier Kinder als neue Besitzer ergänzt wurde.
Es ist bald 13 Uhr. Wir sitzen immer noch am Tisch und parlieren über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie sind ein Geniesser? Er lacht: «Ich bin kein Gourmand in dem Sinne. Ich schätze eine gut bürgerliche Küche und mit meiner Frau gehe ich so ein Mal die Woche auswärts essen. Heute geniessen Heini und Yvonne Vollenweider den Lebensabend im Wissen dass «ihr Lebenswerk» in guten Händen in der 4. Generation weitergeführt wird.